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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

Mein Europa: Ohne Kunst und Kultur wird's still

by Carmen-Francesca Banciu (20 Nov 2020)
Original source: Deutsche Welle

Mit dem Hinweis »Ohne Kunst und Kultur wird's still« machen Kulturschaffende derzeit auf die existentielle Bedrohung der (bereits vor der Krise prekären) Kulturbranche durch den Corona-Lockdown aufmerksam. Doch was bedeutet das konkret?
Die Schriftstellerin Carmen-Francesca Banciu verdeutlicht es in ihrer Kolumne in der Deutschen Welle mit einem Aufruf von Nancy Bass Wyden, der Besitzerin des New Yorker Strand Book Shop an der Ecke 12th Street und Broadway: »Wir brauchen Hilfe.« Institutionen wie das weltberühmte Antiquariat s tehen in Angesicht der Folgen von Corona vor dem Aus, wenn sie keine Unterstützung bekommen. Das trifft nicht nur den Strand Book Shop, sondern auch »Dussmann in Berlin, Dom Knigi in Sankt Petersburg, Dominicanen in Maastricht, Libreria Aqua Alta in Venedig, Atlantic Books auf Santorini, Livraria Lello & Irmao in Porto, Desperate Literatur in Madrid, Carturesti in Bukarest« - die Liste könnte noch um viele, viele Buchhandlungen, Kulturkaufhäuser oder Plattenläden weitergeführt werden. Bei den genannten handelt es sich allesamt um Orte, an denen nicht nur Bücher verkauft wurden, sondern die auch Treffpunkte für Autor*innen, Musiker*innen, Künstler*innen, Leser*innen, Kritiker*innen und alle anderen Kulturbegeisterten waren. Orte, die aufgrund ihrer besonderen Atmosphäre zur Kulisse von Filmen wurden und deren Ausstrahlung nicht nur den europäischen Geist repräsentiert, sondern die für ihre Besucher*innen zu einer geistigen Heimat wurden. Diese kann nicht im Streaming von Musik- oder Theateraufführungen eingefangen werden. Deshalb ist der Hinweis »Ohne Kunst und Kultur wird's still« derzeit so wichtig: Wenn es still wird in der Welt, so Carmen-Francesca Banciu, wird es dunkel in uns. Das muss vermieden werden.

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Alle Sparten Gastkolumne

Kulturzeit extra: Theater im Lockdown

by Vivian Pekovic (Moderation) (18 Nov 2020)
Original source: Kulturzeit

In einem Schwerpunkt widmet sich die Kultursendung der Situation der Theater im Lockdown. In einem ersten Beitrag geht es an die Volksbühne in Berlin. Dort sollten in dem Projekt »Spielplanänderung« zu Unrecht vergessene Theaterstücke bedeutender Autor*innen wieder auf die Bühne gebracht werden. Doch nun kämpft das Haus nicht nur für die Autor*innen, sondern darum selbst nicht in Vergessenheit zu geraten. Die Schauspieler*innen spielen nicht nur, sondern diskutieren auch die Rolle des Theaters. Was sie an der politischen Diskussi on stört, ist der missachtende Grundton, denn sie sind sich alle einig, dass das Theater ein wichtiges Ventil für die Gesellschaft bietet. Hier werden Themen verhandelt, die von einem breiten Publikum diskutiert werden. Sie empfinden es als Luxus, proben zu dürfen, dennoch kostet die aktuelle Situation sehr viel Energie – zumal für viele Schauspieler*innen, die keinen festen Vertag mit einem Haus haben, die Einnahmen wegbrechen. Die Forderung, dass die Theater bald wieder öffnen dürfen, das fordern aber nicht nur die Kulturschaffenden, sondern auch der Kultursenator Klaus Lederer.
Der Theaterkritiker und Autor Simon Strauß hat das Programm für die ›Spielplanänderung‹ entwickelt. Er weist darauf hin, dass es aktuell gefährlich ist, sich als Theater zu sehr anzupassen und den eigenen Status herunterzuspielen. Damit könnten Subventionen und der Status des Theaters als psychologische und humane Institution verloren gehen.
Eine wichtige Erfahrung war für den Schauspieler Lars Eidinger sieben Monate nicht spielen zu dürfen. In dieser Zeit hat er festgestellt, dass die Arbeit auf der Bühne für ihn das kreative Zentrum seines Schaffens ist. Das zentrale Merkmal des Theaters ist für ihn die Unmittelbarkeit, die kein anderes Medium erreichen kann. Allerdings sieht er im Theater keine moralische Anstalt, sondern vielmehr einen Freiraum, in dem man nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden muss.  

Allerdings gibt es auch Stimmen, die von den Theaterschaffenden fordern, die Krise zur Reflexion der eigenen Position zu nutzen. Zu diesen Stimmen gehört auch Simon Strauß. Er wünscht sich, dass die Kreativen mit einer neuen Form des Bewusstseins aus der Krise herausgehen. Für die Theater bedeutet das, unter anderem Spielpläne zu revidieren, diverser zu werden machen. Neue Formate müssen aber auf der Bühne entwickelt werden. Das Streaming sieht er nur als einen Ersatz, ein Trostpflaster für die Zeit, bis an den Häusern wieder gespielt werden darf. Denn die Theater leisten mit der Unmittelbarkeit, mit ihrer Art und Weise Fragen aufzuwerfen, einen wichtigen Beitrag zur psychologischen Erbauung der Menschen. Dies muss gerade im Hinblick auf anstehende Etatkürzungen selbstbewusst der Politik gegenüber verteidigt werden. Theater – so formuliert es Strauß – ist mehr als systemrelevant, es ist »entscheidend«.
Neben den Theatern sind es aber auch andere Kultureinrichtungen, die von der Krise bedroht sind. In der Schweiz darf zwar noch gespielt werden, viele Einrichtungen überleben aber vor allem aufgrund ihres Kneipenbetriebs. Die wenigen Zuschauer*innen, die für eine Vorstellung zugelassen werden, machen ein wirtschaftliches Arbeiten kaum möglich.
Eine der wenigen Kultureinrichtungen, die in Deutschland geöffnet haben dürfen, sind die Galerien. Sie ermöglichen es den Künstler*innen zumindest nicht völlig vergessen werden – leiden sie doch nicht nur an der Bedrohung ihrer Existenz, sondern zugleich daran, ihre Werke nicht zeigen zu dürfen. Dennoch ist es auch für Galerien im Moment schwer sich auf dem Markt zu behaupten, denn neue Käuferschichten können aktuell nicht angesprochen werden. So ist auch hier die Frage, wie Kunst und Kultur als essentielles Gut für die Gesellschaft in Zukunft bewertet und entlohnt werden kann.

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Darstellende Kunst Kultursendung

Geld ist im Übermaß vorhanden . Corona-Hilfen für Künstler

by Herbert Grönemeyer (04 Nov 2020)
Original source: Zeit

Unterhaltung, so wertet der Musiker Herbert Grönemeyer den Begriff für sich um, bedeutet »halten von unten«. Hier finden die Menschen Hilfe und Zuversicht, wenn sie traurig oder frustriert sind. Sie können aber auch ihrer Freude Ausdruck verleihen. Durch das Wegfallen der Liveauftritte ist das Publikum dieses Ventils beraubt. Keine Fluchtpunkte oder keine Ersatzwelt mehr. Es bleibt die Realität und mit ihr Raum für Verblödung und krude Theorien. Die Seele der Gesellschaft ist gefährdet und mit ihr der gesellschaftliche Zusam menhalt im Ganzen. Die Folgen für die Existenz der vielen Zuarbeiter, die Liveveranstaltungen erst ermöglichen, sind in diesem Verständnis nur Symptom für die Erosion der Gesellschaft. Wie diesem Prozess entgegenwirken? Wie dafür sorgen, dass auch nach der Krise Liveveranstaltungen wieder möglich sind? Hier wird Grönemeyer nun sehr konkret: Diese Menschen dürfen nicht gezwungen sein, ihre Alterssicherung anzugreifen. Für sie muss es schnell und unkompliziert Hilfe geben.
Doch wie könnte diese Hilfe aussehen. Grönemeyer nimmt in diesem Fall nicht den Staat in die Pflicht, sondern schlägt eine Alternative vor: Wie bei einer Naturkatastrophe die Familie einem Betroffenen unter die Arme greift, so bedarf es auch in der aktuellen Krise ein Zeichen der Solidarität. Dieses sollte, so der Musiker, von den 1,8 Millionen Millionären in Deutschland kommen. Dieses Zeichen würde nicht nur den in ihrer Existenz bedrohten Kulturschaffenden helfen, sondern es würde zugleich den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, der seit Jahrzehnten zu beobachtenden Spaltung entgegenwirken.
Interessanterweise fehlt Grönemeyers Statement ein überzeugendes Argument: Er müsste als leuchtendes Beispiel für die geforderte Solidarität selbst mit einer großzügigen Spende vorangehen - auch er gehört zu Deutschlands Millionären....

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Alle Sparten Kommentar

Diese Entscheidung trifft die Falschen . Shutdown für Kultureinrichtungen

by Maria Ossowski (29 Oct 2020)
Original source: rbb24

Nicht nur das Unverständnis, sondern vor allem die Wut ist groß bei allen Kulturschaffenden und Kulturbegeisterten in Deutschland. Einen Monat lang müssen alle Einrichtungen schließen und das obwohl sie sich mit ausgefeilten Hygienekonzepten zu den sichersten Orten der Pandemie entwickelt haben. Maria Ossowski – übrigens selbst Mitglied der Hochrisikogruppe – fühlt sich hier wohl und bringt in ihrem Kommentar das Unverständnis auf den Punkt: Weil die Regierungen das Infektionsgeschehen und vor allem die Partykultur ni cht in den Griff bekommen haben, muss nun die Kultur wieder dafür büßen. Viele kleinere Kulturinstitutionen bekommen damit den Todesstoß versetzt.
Warum es keine Ausnahme für die Kultur geben kann, leitet sie aus folgenden drei Punkten her: Erstens ist die Politik aktuell populistisch, getrieben und vertraut auf keinerlei Studien. Zweitens geht man davon aus, dass Künstler*innen sich nicht zur Wehr setzen, sondern aus Existenznot beim nächsten Supermarkt anheuern. Drittens werden viele Einzelhändler und Betriebe die Krise nicht überstehen, warum dann auf die Bruttowertschöpfung in der Kulturbranche Rücksicht neben?
Damit wird die Bedeutung der Kultur nicht nur für den einzelnen, sondern für unsere gesamte Gesellschaft mit den Füßen getreten.

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Alle Sparten Kommentar

Kultur ist nicht für alle da . Corona-Maßnahmen und Kultur

by Tobi Müller (29 Oct 2020)
Original source: Zeit

Mit Till Brönner und der Band ›Die Ärzte‹ haben sich prominente Vertreter der Musikbranche zur Wort gemeldet und über die Existenznöte vieler Musiker*innen aber auch der für die Branche wichtigen Zuarbeiter von der Veranstaltungstechnik bis zur Gastronomie gesprochen. Nicht zu Unrecht kritisiert Tobi Müller in seinem Beitrag die von Brönner und der Musikbranche immer wieder vorgebrachten Zahlen und die damit suggerierte Wirtschaftsmacht. Damit würde nun die eine Gruppe gegen eine andere ausgespielt, Verteilungskä mpfe befördert. Sein Vergleich mit Angestellten, denen es ja ebenfalls schlecht ginge, hinkt jedoch. Schließlich bekommen diese gegebenenfalls Kurzarbeiter- und schlimmstenfalls Arbeitslosengeld. Der Solo-Selbständige darf hingegen gleich Hartz IV beantragen.
Für Tobi Müller verschweigen die Beiträge von Musikern und Veranstaltern aber auch, dass es in der Kulturbranche Bereiche gibt, die mehr und welche die weniger betroffen sind. Die Musik gehört zweifellos zu den am schwersten gebeutelten Wirtschaftsbereichen. Allerdings – so das zentrale Argument Müllers – die Kultur, von denen die Beiträge sprechen, ist die des gehobenen Bürgertums, das sich lautstark für die Rechte der Künstler*innen einsetzen kann. Gerade im Hinblick darauf, dass die Punkband ›Die Ärzte‹  sich in die ›Tagesthemen‹ gewagt hat, um ihre Stimme zu erheben, ist der Kulturbegriff, den Müller in seinem Beitrag vertritt, interessant. Geht er doch damit vor allem von Konzerthäusern, Bühnen und Museen aus, für die der Jazztrompeter Till Brönner als Symbolfigur herhalten muss, und nicht von den der Kultur ebenso zuzurechnenden Bereichen wie Volksmusik, Schlager oder Punk.
Die Anregung, die Tobi Müller für die Branche hat, muten aktuell etwas skurril an: Nicht immer nur den Staat in die Verantwortung nehmen, sondern untereinander Solidarität üben. Warum nicht die großen Theatersäle auch für Konzerte öffnen oder Kooperationen mit Museen eingehen, die meist über große, luftige Räume verfügen. Und als Zeichen der Nächstenliebe könnten auch Kirchen die Türen für Theater- und Musikschaffende anbieten – das bringt leider im November recht wenig, wenn Theater und Museen geschlossen sind und jegliche Form von Konzert verboten ist.

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Musik Kommentar

Was braucht es, um wieder Kontrolle über die Pandemie zu bekommen?

by Gunter Gebauer, Julius Stucke (24 Oct 2020)
Original source: Deutschlandfunk

Der Philosoph Gunter Gebauer stellt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk die Frage, welchen Stellenwert die Kultur heute noch hat. In den eigenen vier Wänden kann viel abgerufen und konsumiert werden. Der Weg nach draußen ist daher gar nicht mehr so wichtig. Die Krise könnte damit auch einen Kahlschlag zur Folge haben, der auf einer reduzierten Nachfrage basiert. Bereits jetzt müssen viele Kulturschaffende schauen, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Gebauer berichtet beispielsweise von einer Opernregisseurin, die Rhetorikkurse gibt. Die Sor ge, die Gebauer formuliert, ist nun nicht nur, dass diese vielen Aussteiger*innen nicht mehr zurückkommen, sondern das die Nachfrage an Kultur grundsätzlich zurückgeht, weil die Menschen sich an den Alltag ohne Kulturveranstaltungen gewöhnt haben. Welche Auswirkungen das für unsere Wirtschaft haben wird, stellt Gebauer interessanterweise nicht, widerspricht er doch der These von Julian Nida-Rümelin, dass wir uns in einer Lage ähnlich der von 1945 befänden, in der sich das Land klar in Richtung Deutsche Mark und Wirtschaft orientiert hätte.
Thema ist auch der Auftritt der Punkband »Die Ärzte« in den Tagesthemen am Samstagabend. Julius Stucke, der das Gespräch mit Gebauer moderiert, kritisiert, dass bei dem Fernsehauftritt die Dramatik der Lage der Branche nicht wirklich ernsthaft vermittelt werden konnte, weil alles so »nett« wirkte. Dem widerspricht Gebauer, da er die Power der Punkkultur, die die drei Musiker auf die Bühne brachten, wichtig fand, um die Ernsthaftigkeit der Situation zu vermitteln. Gerade das Eintreten der ›alten Hasen‹ für alle Mitarbeiter im Hintergrund empfand der Philosoph als wichtig, um auf deren Situation hinzuweisen.

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Alle Sparten Gespräch

»Die Ärzte« über Musik und die Pandemie

by Bela B., Rod Gonzalez, Farin Urlaub, Ingo Zamperoni (23 Oct 2020)
Original source: Tagesschau

Mit der Punkband ›Die Ärzte‹ war am Freitagabend ein ungewöhnlicher Gast in der Tagesschau. Ziel des Auftritts war, auf die Lage der Veranstaltungsbranche hinzuweisen. Nicht nur viele Musiker*innen können nach wie vor nicht auftreten, auch die vielen Solo-Selbständigen hinter der Bühne sind seit nunmehr 7 Monate weitgehend ohne Aufträge. Nicht nur der Stellenwert der Kunst muss in der Gesellschaft bewusst gemacht werden, zugleich müssen die Hilfsangebote an die Lage der Branche angepasst werden. Im Gespräch kam die Hi lflosigkeit selbst berühmter Musiker*innen angesichts der Krise zum Ausdruck. Zwar unterstützen ›Die Ärzte‹ Aktionen wie #AlarmstufeRot und ein Hilfsprojekt für Berliner Clubs, die aber nicht so erfolgreich sind wie erhofft.

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tag Musikbranche Veranstaltungsbranche Solo-Selbständige Berufsverbot #AlarmstufeRot Existenzangst Wertschätzung
Musik Interview

Frankfurter Buchmesse: Was ist das Buch ohne die Menschen?

by Felix Stephan (17 Oct 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

Wie misst man den gesellschaftlichen Wert des Buches? Woran erkennt man die Bedeutung der Frankfurter Buchmesse? Felix Stephan beleuchtet diese Fragen anhand der Debatten, die die letzte Buchmesse ausgelöst hat. Ausgehend von Saša Stanišić Kritik an der Vergabe des Nobelpreises an Peter Handke in seiner Dankesrede bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises zeigt Stephan auf, wie sich Debatten entwickeln. Plötzlich ging es nicht mehr um den Text selbst, sondern um Hans-Dietrich Genscher und die Rolle der Deutschen im Kosovokrieg. Solche Debatten sind wichtig, machen sie doch das gesellschaftliche Klima aus und regen zu kritischem Denken an. Ausgangspunkt ist der geschriebene Text, aber er bedarf der Öffentlichkeit der Buchmesse, um sein Potential entwickeln zu können.
In der medialen Stille der digitalen Buchmesse können solche Debatten nicht entstehen. Dennoch: das Buch als Ware ist attraktiv. Auch wenn die Messe dieses Jahr weitgehend online stattfindet, geht es den Verlagen nicht schlecht. Die Pandemie verführt die Menschen zum Lesen. Im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur ist sogar ein Anstieg der Verkaufszahlen um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu beobachten. Die großen Verlagshäuser beginnen bereits darüber nachzudenken, ob sich ein physischer Stand auf der Buchmesse noch lohnt. Die Ausgaben sind hoch, die Erfolge nur schwer zu beziffern. Das Lizenzgeschäft bedarf der Messe nicht. Warum also nicht die Buchbranche von der Öffentlichkeit entkoppeln? Das Beispiel Amerika zeigt, wie Gewinne im luftleeren Raum verpuffen, wenn das Buch nur als Ware angesehen wird und selbst Megabestseller wie die Autobiographie von Michel Obama keine Diskussion mehr auslösen. Damit würde, so Felix Stephan, nicht nur das Buch seine Rolle als Leitmedium verlieren, sondern unsere Öffentlichkeit einen Teil ihrer Debattenkultur.

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tag Buchbranche Buchmesse Leitmedium Debattenkultur Einsparpotential digitale Stille
Wort Bericht

Wir sind ein Ökosystem . Krise des Kunstmarkts

by Deborah Schamoni, Esther Schipper, Catrin Lorch (11 Sep 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

Bis auf die Art Cologne wurden alle großen Kunstmessen 2020 abgesagt. Anlässlich der traditionellen Galerierundgänge, die den kulturellen Herbst in Berlin, Köln, Düsseldorf und München eröffnen, sprechen die Galeristinnen Esther Schipper und Deborah Schamoni über die Lage der Branche im Corona-Herbst.
Der Kunsthandel liegt nicht darnieder, aber die Situation ist ernst. Waren traditionell im Herbst internationale Sammler auf den Eröffnungen der Galerien zu Gast, so werden diese nun weitgehend von einem lokalen Publ ikum besucht. Mit den Sammlern fehlen nicht nur die Einnahmen, die Konzentration auf das lokale Geschäft führt auch dazu, dass der Austausch auf Messen völlig wegbricht. Ob die Zeit, die für schriftliche Kontakte bleibt, diesen ausgleichen kann, wird sich in der nächsten Zeit erweisen. Einig sind sich die Galeristinnen allerdings, dass die Verluste mit einer virtuellen Präsenz – sei es die eigene Homepage oder die von den Messen aufgesetzten Seiten – nicht ausgeglichen werden können. Zwar ließen sich darüber Arbeiten bekannter Künstler*innen verkaufen, aber die Newcomer haben wenig Chancen, Aufmerksamkeit zu generieren.
Andererseits sind sich die Galeristinnen durchaus bewusst, dass sich der Kunstmarkt in den kommenden Jahren verändern muss. Klimawandel und Corona werden in den kommenden Monaten und Jahren zur Aufgabe für den Kunstmarkt – auch wenn die Galeristinnen eingestehen müssen, das ihre Künstler*innen bislang wenig Rücksicht auf das Klima nehmen.
Ob den Galerien die Unterstützung von staatlicher Seite wirklich helfen kann, ist noch ungewiss. Zumindest ist darin eine Wertschätzung der Arbeit der Galerien zu sehen. Die im Programm Neustart Kultur vorgesehenen Gelder für Ankäufe bewerten sie zwar positiv, eine Mehrwertsteuersenkung für Verkäufe sehen sie aber eher als Garant für einen Verkaufsboom, wie ihn die Branche aktuell benötigt.

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Bildende Kunst/Design Interview

»Das ist kein Neustart, das ist der Tod auf Raten« . Konzertveranstalter und Corona

by Benjamin Fischer (17 Aug 2020)
Original source: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Stephan Thanscheidt ist Ko-Chef von FKP Scorpio. Die Firma mit rund 350 Mitarbeitern in 11 Ländern gehört nicht nur zu den größten Festivalorganistatoren Europas, das Unternehmen hat im vergangenen Jahr rund 3000 Konzerte von mehr oder weniger bekannten Musiker*innen – darunter Superstars wie Ed Sheeran oder David Guetta – ausgerichtet. Thanscheidt ist vor allem für die Ausrichtung der Festivals verantwortlich. So verbringt er im Sommer normalerweise mehr Zeit auf Festivals denn am Schreibtisch. Das ist wichtig, um das Gespür f& uuml;r die Wünsche und Erwartungen der Besucher*innen zu behalten.
Im März und April liefen bei FKP Scorpio die Planungen für die Sommerevents weiter. Zwar hatte man schon während des Lockdown ein ungutes Gefühl, aber ohne eine längerfristige Absage durch die Behörden, hatte das Unternehmen keine andere Wahl, als die Festivals erst einmal zu verschieben, um den Versicherungsschutz nicht zu verlieren. Das war ein enormer Aufwand, mussten doch immer wieder Veranstaltungen und die entsprechenden Karten umgebucht werden. Die Werbung wurde neu aufgelegt, nur um dann die nächste Verschiebung anzukündigen.
Die Branche, die selbst in der Wirtschaftskrise 2009 kaum Einnahmeausfälle hatte, sieht sich nun vor völlig neuen Herausforderungen. Kurzarbeit und Homeoffice waren bislang völlig fremd. Zwar finden regelmäßige digitale Treffen statt, aber die gemeinsame kreative Arbeit lässt sich nur schwer realisieren. Vor allem für die zehn Auszubildenden ist die Situation mehr als unbefriedigend, lernen sie doch aktuell nur Teile der geplanten Aufgabenbereiche kennen.
Im Sommer hat man sich in der Branche auf Stillstand bis Weihnachten eingerichtet. Sollten auch im kommenden Jahr keine Veranstaltungen möglich sein, stehen viele Unternehmen vor dem Aus. Zwar entsteht im Moment in der Öffentlichkeit und der Politik der Eindruck, dass durch Autokino-Konzerte oder andere Veranstaltungen wieder Geld in die Kassen komme, dabei handelt es sich nach Aussage von Thanscheidt aber nicht um ernst zu nehmende Einnahmen, sondern vielmehr um einen »Tod auf Raten«. FKP Scorpio hat in den letzten Jahren solide gewirtschaftet und kann noch auf Rücklagen zurückgreifen. Sollten aber auch im kommenden Jahr keine Festivals mit normaler Kapazität stattfinden können, wird es auch für FKP Scorpio eng.

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The signet of facing arts joining the faces of STORM.

Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

Das Team

Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

Ein besonderer Dank gilt Paco Croket für die Programmierung der Tag Cloud!

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