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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

Ein Jahr ohne Werke . Was es für das Musikleben bedeutet, wenn Verlage um ihr Überleben kämpfen

by Merle Krafeld (03 Feb 2021)
Original source: VAN Magazin für klassische Musik

Musikverlage spielen eine wichtige Rolle im kulturellen Ökosystem. Sie werben nicht nur für das Werk von Komponist*innen, sondern Erarbeiten durchdachte Blätterstellen in Einzelstimmen, sorgen für eine gute Bindequalität der Noten und erarbeiten Neuausgaben von historischen Werken. Dafür betreiben sie Quellenforschung und arbeiten mit wissenschaftlicher Genauigkeit. Einnahmen generieren die Verlage daher nicht nur aus dem Verkauf der Noten, sondern vor allem aus dem Verleih von Notensätzen von meist urheberrechtlich geschützten Wer ken an Orchester und Chöre. Die Leihgebühren setzen sich aus verschiedenen Faktoren wie z.B. Länge und Besetzung des Werkes, Zahl der Aufführungen und verkäuflichen Sitzplätze zusammen. Im vergangenen Jahr brach der Umsatz aus dem Leihverkehr für die Musikverlage um bis zu 80 Prozent ein. Neben den Leihgebühren brachen zudem für Verlage und Rechteinhaber die Einnahmen aus Ausschüttungen der GEMA und ausländischer Verwertungsgesellschaften sowie der VG Musikedition weg. Da Tantiemen in der Regel erst im Folgejahr ausgeschüttet werden, macht sich der Einnahmeausfall hier erst in 2021 bemerkbar. Besonders betroffen sind auch Verlage, die sich auf Chormusik spezialisiert haben, da hier nicht absehbar ist, wann der Probenbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Im Lockdown boomte lediglich der Kauf von Einzelstimmen und klein besetzter Kammermusik. Der Henle-Verlag, der unter anderem mit einer App dieses Segment bedient, ist der einzige Verlag, der in 2020 ein Umsatzplus verbuchen konnte.
So lange im Kulturbereich keine Planungssicherheit besteht, wird der Verkauf und Verleih von Noten nicht anziehen. Die Mitarbeiter*innen der Verlage sind daher aktuell in Kurzarbeit und arbeiten gleichzeitig mit Hochdruck daran, Werke mit kleiner Besetzung anzubieten.
Viele Verlage fallen aktuell durch das Raster der Hilfszahlungen, weil sie entweder zu klein oder zu groß sind. Aus dem Programm Neustart Kultur können Umsatzrückgänge aus dem Mietbereich kompensiert werden, allerdings nur 30 Prozent des entgangenen Umsatzes von April bis November 2020, auf den bereits erhaltene Hilfen wie z.B. Kurzarbeitergeld angerechnet werden muss. So ist die Hilfe am Ende nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

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tag Musikverlage GEMA Planungssicherheit Chormusik Leihverkehr Kurzarbeit Neustart Kultur
Musik Bericht

Theater in Sachsen-Anhalt bleiben dicht: »Das ist eine Katastrophe« . Corona-Beschränkungen werden verlängert

by Luca Deutschländer (26 Nov 2020)
Original source: MDR

Die Kulturschaffenden im ganzen Land sind frustriert: Der Lockdown light wird auch in den Dezember verlängert. Janek Liebetruth, freie Regisseur und Intendant sowie Vorsitzender des Landeszentrums freies Theater in Sachsen-Anhalt bringt die Bedeutung der weiteren Schließung auf den Punkt: »Das ist eine Katastrophe«. Gerade für Theater ist der Dezember der umsatzstärkste Monat. Die Einnahmeausfälle können die Häuser kaum kompensieren. Die im Figurentheater tätige Schauspielerin Kerstin Dathe hätte bis Weihnachten r und 30 Aufführungen gehabt. Zukunftssorgen und vor allem die Frage, ob die staatlich versprochenen Hilfen tatsächlich greifen, treiben die Kulturschaffenden um. Wann sie wieder auftreten dürfen, ist ungewiss. Optimismus fällt in dieser Situation zunehmend schwer.
Liebetruth fordert, dass die wirtschaftlichen Einbußen der Kulturschaffenden aufgefangen werden müssen. Programme wie »Neustart Kultur« haben die Aufgabe ein Kultursterben zu verhindern, indem sie eine Perspektive für das kommende Jahr bieten. Was die Kulturbranche darüber hinaus benötigt, ist Planungssicherheit, denn nur diese können den Frust etwas lindern.

 

 

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tag November-Lockdown Theater Planungssicherheit Advent Kultursterben Neustart Kultur
Darstellende Kunst Bericht

Der Ton macht die Musik . Offener Brief der GMD- und Chefdirigent*innenkonferenz

by GMD- und Chefdirigent*innenkonferenz (02 Nov 2020)
Original source: concerti

Die Theater- und Konzerthäuser sind ihrer Verantwortung für das Publikum mit hervorragenden Hygienekonzepten gerecht geworden. Der Lohn ist nun aber keine Solidarität, sondern das erneute »Stummschalten« der Kultur, verordnet von einem Staat, der seiner Verantwortung für Schüler*innen nicht gerecht wird, die doch tagtäglich in überfüllten Bussen und Bahnen fahren und in schlecht gelüfteten Klassenzimmern unterrichtet werden.
Die Wut ist groß bei GMD und Chefdirigent*innenkonferenz, können doch die Unterstützungszusagen der letzten Monate angesichts des neuerlichen Lockdowns und der Degradierung zu einer Freizeiteinrichtung nur als Lippenbekenntnisse verstanden werden. Die Rücksichtslosigkeit weniger gegenüber den Institutionen, als vielmehr gegenüber den in und für diese arbeitenden Menschen, die ein stückweit ihrer Identität beraubt werden, schmerzt sehr und kann nicht mit Geld aufgewogen werden.
Und so fordern die Musiker*innen nun mit Nachdruck evidenzbasierte Entscheidungen für die Kulturbranche, eine Öffnung der Musikschulen im Oktober und die versprochenen Ausfallhonorare in Höhe von 75 Prozent der verhandelten Gage bzw. des Jahresdurchschnittslohns des Vorjahres. Das abschließende Angebot zum Dialog an  Bundeskanzlerin, die Ministerpräsident*innen und die Kulturstaatsministerin ist verbunden mit dem Hinweis auf eine angemessene, einem Partner würdige Ansprache: » Der Ton macht die Musik – davon verstehen wir etwas!«

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tag November-Lockdown Musikschulen Freizeiteinrichtungen Verantwortung Ausfallhonorare guter Ton
Musik Offener Brief

Sprachmacht und Sachertorte . Österreichische Literatur in der Coronakrise

by Irene Binal (25 Sep 2020)
Original source: Deutschlandfunk Kultur

In einem Feature zur aktuellen Lage der österreichischen Literatur darf neben den großen Vorbildern, den Besonderheiten der Verlagslandschaft und der Kaffeehauskultur in Wien auch das gegenwärtig alle Kulturschaffenden umtreibende Thema Corona nicht fehlen.
Der Autor Michael Stavarič, der die Journalistin Irene Binal durch Wien begleitet, ist besonders von der Krise betroffen, ist doch sein aktueller Roman »Fremdes Licht« im Frühjahr erschienen. Rund 30 Lesungen wurden abgesagt, Interviews und Besprechungen blieben aus. Nach vier Jahren Arbeit fehlt nun das Einkommen und der Autor denkt darüber nach, ober sich das Leben als freischaffender Schriftsteller in den nächsten Jahren noch leisten kann.
Trotz vergleichbarer Notlage empfinden viele österreichischen Autor*innen die staatliche Unterstützung nicht als angemessen. Mit dem Projekt »Arbeit statt Almosen« hat Marlen Schachinger in dieser Situation ein Zeichen setzen wollen. Über eine Crowdfunding-Kampagne hat sie rund 20.000 € eingeworben. Die Gelder kamen überwiegend von Leser*innen und dienen dazu, nicht nur die Anthologie selbst, sondern vor allem die Honorare für die rund 20 Autor*innen zu bezahlen.

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tag Literatur Österreich Arbeit statt Almosen Marlen Schachinger Michael Stavarič Umsatzeinbruch Crowdfunding
Wort Feature

»Viele Kollegen von uns mussten Hartz IV beantragen«

by Wiebke Eymess, Jörg Burger (23 Sep 2020)
Original source: Die Zeit

Mit 80 Auftritten pro Jahr konnten sich das Kabarettduo "Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie" bestehend aus Wiebke Eymess und Friedolin Müller vor Corona gut finanzieren. Gemeinsam mit ihren beiden Kindern lebt das Paar auf dem Land und hat daher sehr reduzierte laufende Ausgaben. Dennoch war die Corona-Krise ein Schock. War das Paar für zwei Jahre im Voraus ausgebucht, reagierte Wiebke Eymess im März auf die Absagen mit einer Panikattacke. Erst langsam fand sie sich in die neue Situation. In einem Blog beschrieb sie ihre Gefühle und & Auml;ngste. Dass der SWR3 diese nun zwei Mal die Woche als Kolumne druckt, hilft der Familie finanziell über die Runden zu kommen. Daneben sind es Spenden treuer Fans und handwerkliche Arbeiten, mit denen sie sich über Wasser halten. Die staatliche Unterstützung, die die beiden aus den Soforthilfeprogrammen erhalten haben, war minimal. Auch wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass viel für die Kultur getan wird, kommt davon bei den Betroffenen kaum etwas an. Zwar wird im Moment das Berufsverbot etwas gelockert, erste Theater und Veranstaltungsstätten sind wieder geöffnet, doch aufgrund der geltenden Hygieneregeln kann man das aufgrund der minimalen Honorare eher von einem Hobby denn von einem Job sprechen. Auch die Unvorsichtigkeit der Politiker bei ihrer Sprachwahl, kann verheerende Folgen haben. Warnte der Gesundheitsminister Jens Spahn doch vor kurzen vor Veranstaltungen, meinte aber eigentlich Familienfeste. Die Folge: Der Kartenverkauf für Kulturveranstaltungen brach schlagartig ein. Ein sicherer Job wurde mit dem Berufsverbot zur Sackgasse. Nun muss sich das Paar neu erfinden, hofft aber darauf, bald wieder auftreten zu können.

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tag Kabarett Berufsverbot Kulturförderung Soforthilfe Panikattacke
Darstellende Kunst Interview

„Wo ist die Empathie des Herrn Spahn?“ . "Where is the empathy of Mr. Spahn?"

by Matthias Goerne, Manuel Brug (13 Sep 2020)
Original source: Welt

Im Interview mit der Welt macht der erfolgreiche Liedsänger Matthias Goerne seinem Unmut über die Behandlung der Konzertwelt in der Corona-Krise Luft. Vor kurzem nahm er an einer Diskussionsrunde mit dem Gesundheitsminister Jens Spahn teilnahm. Die Enttäuschung über das Verhalten des Ministers ist groß. Seine Antworten waren nur ausweichend, die Kultur als Wirtschaft wird nach wie vor nicht anerkannt. Zwar gibt es Zuschüsse für Institutionen, aber die vielen Solo-Selbständigen blicken noch immer bang in die Zukunft. Das Hauen und Stechen unter den Konzertveranstaltern hat bereits begonnen, da auch die Agenturen um ihr Überleben kämpfen. Vor allem für die Berufsanfänger*innen ist die Situation im Moment schwer. Vielen wird es nicht gelingen, auf dem Markt Fuß zu fassen. Andererseits gibt es Kolleg*innen, die in die Grundsicherung abgerutscht sind, und sich nun nach einem neuen Job umsehen. Eine gemeinsame Stimme gibt es auf dem Musikmarkt nicht. Selbst von den Vertretungen zeigt sich Goerne enttäuscht, da sie wenig schlagkräftig argumentieren. Wer frei tätig ist, bekommt immer häufiger unmoralische Angeboten, weil die öffentlichen Häuser an den Gästen sparen können. Dabei sind es gerade diese Gäste, die das Publikum anlocken.
Besonders wenig Verständnis zeigt Goerne dafür, dass in öffentlichen Verkehrsmitteln Abstandsregeln nicht gelten, in den Konzerthäusern aber große Abstände zwischen den Besucherplätzen gefordert werden. Die Festspielsaison und vor allem die erfolgreich und ohne Ansteckungen verlaufenden Salzburger Festspiele haben gezeigt, dass das Publikum der Konzertveranstaltungen absolut diszipliniert ist und eine Sitzordnung im Schachbrettmuster gefahrlos umgesetzt werden kann. Aus Freude daran, wieder Konzerte besuchen zu dürfen, unterhalten sich die Besucher*innen im Saal nicht. Außerdem verfügen viele Konzerthäuser über hervorragende Lüftungen, die die Ansteckungsgefahr minimieren. Dass hier nicht die Wirtschaftskraft der Branche berücksichtigt und dieser wieder eine Chance auf Einnahmen gegeben wird, kann Goerne nicht nachvollziehen. Stattdessen nimmt die Politik ein Theater- und Opernsterben in großem Ausmaß in Kauf.

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tag Konzerte Konzerthäuser Konzertagenturen Solo-Selbständige Studierende stiller Tod Salzburger Festspiele Schachbrettmuster Jens Spahn
Musik Interview

Der verzögerte Kulturinfarkt . Resilienz des Kulturbetriebs

by Dieter Haselbach, Pius Knüsel (27 Jul 2020)
Original source: Kulturmanagement

Die Corona-Krise macht die Zweiklassengesellschaft im Kulturbetrieb sichtbar. Während die öffentlich finanzierten Einrichtungen zwar Einnahmeverluste hinnehmen müssen, sind die Jobs der teilweise in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeitern sicher. Die öffentlichen Kassen übernehmen die auflaufenden kosten. Anders sieht es im privat finanzierten Bereich aus. Vom Theater über Kinos bis zu Klubs stellt sich die Frage, wie lange die Kapitaldecke ausreichen wird und ob die öffentlichen Hilfen ausreichen, um über die Krise zu kommen. Die Ple itewelle wird nicht ausbleiben. Selbständige Künstler*innen und ihre Hilfsberufe sind die Leidtragende der Krise, vor allem wenn ihre Tätigkeit Publikum voraussetzt: Live-Musiker*innen, Schauspieler*innen, Tontechniker*innen, Festivalmitarbeiter*innen, Kulturpädagog*innen, Honorarkräfte in Musikschulen und Puppenspieler*innen. Diese »unerschöpfliche Reservearme für die Institutionen« war bereits vor der Krise schlecht bezahlt. Da das Einkommen nur für die laufenden Lebenskosten ausreichte, führt dessen Wegfall direkt in eine existentielle Krise.
In Anbetracht der Tatsache, dass bereits vor der Krise über den Publikumsschwund in Kultureinrichtungen und den Bedeutungsverlust der Museen diskutiert wurden, sind die Verfasser über einen Beitrag von Tobias J. Knobloch, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, irritiert, der anmahnte, die öffentliche Finanzierung auszuweiten, um die Krisenfolgen für den Kulturbetrieb abzuwenden. In diesem Zusammenhang spricht er auch von Resilienz.
Hierbei darf nicht vergessen werden, dass in der Krise die große Zeit der Kulturverbände ist. Sie versuchen nun, einen Teil von den öffentlichen Geldern abzubekommen. Anders sieht es bei den Solo-Selbständigen aus, die durch die Förderraster der Bundes- und Landesregierungen fallen. Die Kulturverbände wehren sich in dieser Situation dagegen, dass der Zugang zum ALG II der einzige Ausweg aus dieser Misere sein soll. Lediglich Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat mahnte, dass der Zugriff auf das soziale Sicherungssystem ein Segen sein, der seit vielen Jahren vier Millionen Menschen zugemutet wurde. Warum also nicht als Künstler*in in Krisenzeiten auf das soziale Netz zugreifen?
Hier kommen die Autoren zum Hauptpunkt ihres Beitrags: Viele Künstler*innen verfügen nicht über ein Geschäftsmodell, das tragfähig wäre und Rücklagen und eine sinnvolle Alterssicherung vorsieht. Krisen- und Altersvorsorge auf später zu verschieben, ist kein Modell mit Zukunft. Auch wenn der Staat aktuell freigiebig ist, muss im Kulturbereich nachhaltiges Wirtschaften Einzug halten.
Aber auch in den öffentlichen Einrichtungen offenbart die Krise des Systems. Da im öffentlichen Bereich keine Rücklagen gebildet werden dürfen, operieren die Einrichtungen immer am Rande der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Andererseits folgt man den Null-Imperativ. Es werden keine Risiken eingegangen, d.h. aber im Umkehrschluss auch, dass keine Veränderungen möglich sind.
Aktuell wird jeglicher Kritik mit dem Hinweis auf die Corona-Krise begegnet. Dennoch stellt sich die Frage, ob die gewählten Förderinstrumente zielführend sind.
In ihrem Ausblick gehen die Autoren davon aus, dass die großen staatlich finanzierten Häuser die Krise überstehen werden, viele Soloselbständige und privat finanzierte Häuser aufgeben werden. Auch der Kulturtourismus wird 2021 wieder einsetzen. Die einzige Chance der Akteur*innen besteht darin, sich neue Handlungsspielräume zu erarbeiten. Einen Kulturinfarkt vermeiden kann man aktuell nur, wenn die Förderinstrumente und Organisationsprinzipien überdacht werden und die Digitalisierung vorangetrieben wird.

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tag Museen Kulturförderung Soforthilfe Solo-Selbständige Hartz IV Olaf Zimmermann Tobias J. Knobloch
Alle Sparten Bericht

Lieber Maler, male mir! . Diskussion über Kunst in Coronakrise

by Ingo Arend (08 Jul 2020)
Original source: TAZ

Unter dem Titel »Malen nach Zahlen – Kunst in der Coronakrise« lud die Bundestagsfraktion der Grünen zur Diskussion um eine Gruppe, die aktuell im öffentlichen Diskurs um die Cornona-Krise kaum eine Rolle spielt: die bildenden Künstler*innen. Die Bedenken sind im Moment groß, dass die Gelder aus dem Konjunkturpaket in die Unterstützung von Museen und Kultureinrichtungen fließen, die Künstler*innen selbst aber leer ausgehen. Dabei ist auch für die bildenden Künstler*innen die Lage bedrohlich: Ausstellungen w erden abgesagt oder finden nur wenige Besucher, Kunstmessen finden keine statt und auch in den Galerien laufen die Verkäufe nicht so gut wie vor der Krise. In der Lobby-Veranstaltung kamen verschiedene Stimmen aus dem Kunstbetrieb zu Wort. Während die Vertreter des Bundesverband Bildender Künstler vor allem die Probleme von Soforthilfe und Grundsicherung thematisierten und die Einführung von Künstlerhonoraren und einer Grundsicherung ins Gespräch brachten, mahnte die Professorin für Malerei Andrea Büttner die Strukturprobleme bei der Künstlerförderung zu lösen. Der Galerist Johann König machte sich für eine Stärkung der Galerien durch eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes und die Aufnahme junger Galeristen in die KSK stark.
Etwas irritiert zeigt sich der Autor Ingo Arndt darüber, dass in der Diskussion um Lösungsmöglichkeiten der prekären Situation der Künstler*innen die von Hans Ulrich Obrist im April in die Diskussion gebrachte Idee eines New Deals nicht aufgegriffen wurde. Ein weit gestreutes, von der Bundesregierung aufgelegtes großes Ankaufsprojekt für Museen und öffentliche Einrichtungen könnte mit Aufträgen für bildende Künstler*innen einen Ausweg aus der Krise bieten.

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tag Grundeinkommen Neustart Kultur Konjunkturpaket Die Grünen Lobby New Deal Erhard GrundlHans Ulrich Obrist
Bildende Kunst/Design Bericht

Nach dem Stillstand die Besinnung?

by Till Briegleb (07 Jul 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

Die coronabedingten Schließungen bedeuten für die großen deutschen Museen in Dresden, Berlin, Hamburg, München oder Köln Einnahmeverluste in Millionenhöhe. Auch die schnelle Wiedereröffnung der Häuser kann daran wenig ändern. Wenn in einer Woche so viele Besucher*innen kommen, wie vor dem Lockdown an einem Tag, sind die Museen schon glücklich. Nach wie vor fürchten sich die Menschen vor Räumen mit großer Anziehungskraft. Dazu kommt, dass die Zahl der Städtereisenden noch sehr gering ist. Da sie bis zu 75 Prozent der Museumsbesucher ausmachen, haben viele Häuser nach wie vor reduzierte Öffnungszeiten und leere Kassen. Alarmiert sind die Leitungen der Museen allerdings bislang nicht. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass sie aktuell das Gefühl haben, vom Staat unterstützt zu werden. Im Gegensatz zur Entlassungswelle in Amerika können zumindest die fest angestellten Mitarbeiter*innen sich auf die staatliche Unterstützung verlassen. Selbst auf das Mittel der Kurzarbeit haben nur wenige Häuser zurückgegriffen. Stattdessen sucht man nach anderen Mitteln der Einsparung: Auf abendliche Beleuchtung wird beispielsweise am Kunstmuseum Stuttgart verzichtet, um das Defizit im Haus zu verringern.
So sicher der Alltag für die Festangestellten ist, umso bedrohlicher ist die Lage für Solo-Selbständige vom Grafiker über Autorinnen und Autoren bis zu externen Aufbauhelfern. Wurden sie bislang nur mit Niedrigstlöhnen entlohnt, so bleibt ihnen nur der Hartz-IV-Antrag, um über die Runden zu kommen. So ist es nicht nur der Ruf nach Ausstellungshonoraren für Künstler*innen, sondern auch die Unterstützung für die abhängig Beschäftigten, die dringend diskutiert werden muss. Der Ruf nach einer Tourismusabgabe für die Museen ist nur eine Forderung, die es ermöglichen könnte, hier Abhilfe zu schaffen.
Aber nicht nur die Frage der Finanzierung treibt die Mitarbeiter in den Museen aktuell um, sondern es scheint vielmehr ein strategischer Nachdenkprozess angestoßen zu sein, denn die Häuser müssen auf die geänderten Rahmenbedingungen reagieren. Marion Ackermann, Direktorin der Staatlichen Kunstsammlung zu Dresden betont, dass die hauseigene Forschung, der Ruf nach staatlichen Ankaufsetats, die Entwicklung digitaler Formate sowie die Konzentration auf die eigenen Sammlungen  positive Impulse für die Arbeit in den Museen geben. Bereits vor dem Lockdown hatte Ackermann für ihre Häuser ein » Museums-Sabbatical « für das Jahr 2023 ausgerufen, in dem die Dresdner Museen sich aus dem Hamsterrad befreien und neue Konzepte entwickeln sollten. Die positive Kraft, die sich Ackermann von dieser Auszeit versprochen hat, ist jetzt bereits zu spüren. Der Blick auf das Konstruktive ermöglicht es, von der Frage der Finanzierung abzulenken. Und so werden viele Häuser aus der Not eine Tugend machen und sich wieder mehr auf Inhalte konzentrieren als auf große Namen.

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tag Museen Finanzen Marion Ackermann Hartz IV Neuausrichtung Sammlung
Bildende Kunst/Design Bericht

Solo-Selbständige: Unter Verdacht

by Karin Finkenzeller (14 Jun 2020)
Original source: Zeit

Die Klagen über die Not der Solo-Selbständigen in der Kulturbranche häufen sich. Am Beispiel der Sängerin und Songwriterin Vera Klima wird das Thema in der Zeit noch einmal diskutiert. Die Soforthilfe darf nicht zur Deckung von Honorarausfällen, sondern lediglich für laufende Betriebskosten verwandt werden. Da dieser Tatbestand zu Beginn der Bewilligung nicht so deutlich kommuniziert wurde, haben viele Kulturschaffende Soforthilfe erhalten, die laut dieser Regelung nicht antragsberechtigt waren – obwohl sie aufgrund des Berufsverb ots keine anderen Einnahmequellen haben. So sehen sich die Künstler*innen nun nicht nur von Existenznot bedroht, zugleich sind sie mit dem Gesetzt in Konflikt. Bis zu fünf Jahren Haft drohen bei falschen Angaben im Bewilligungsverfahren der Soforthilfe. Wer es sich leisten kann, rührt die Soforthilfe nun erste einmal nicht an und wartet ab, ob er sie zurückzahlen muss – das können sich aber nur die wenigsten leisten. 
Dass die Künstler*innen sich Leistungen vom Staat erschleichen, die von diesem viel zu leichtsinnig vergeben werden, scheint auch dadurch in der Öffentlichkeit plausibel, weil Betrüger versuchten, an die Geldtöpfe von Bund und Land zu gelangen. Alleine 4.400 Verdachtsmeldungen gab es in 7 Wochen. In einigen Bundesländern hat man allerdings durchaus Verständnis für die Branche. In Baden-Württemberg und Bayern wurde im Rahmen der Soforthilfe auch ein fiktiver Unternehmerlohn gewährt, während in Nordrhein-Westfalen zumindest ein Teil der Künstler*innen eine Soforthilfe aus dem Kulturetat erhalten haben.
Ein Aufruf zur Nachbesserung haben Rainer Bode, Kulturberater in Münster, und einige Mitstreiter an den Bundestagsausschuss für Kultur geschickt. Dieser tagt am kommenden Mittwoch. Es bleibt die Hoffnung, dass sich doch noch etwas ändern könnte. Derweil sieht sich der eine oder die andere schon nach einem neuen Betätigungsfeld außerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft um. 

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tag Soforthilfe Solo-Selbständige Existenzangst Vera Klima
Alle Sparten Bericht

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Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

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Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

Ein besonderer Dank gilt Paco Croket für die Programmierung der Tag Cloud!

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