A
motionen

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Die Amotionen arbeiten mit der einfachsten Form von Komplexität: der Überlagerung von lediglich zwei Strukturen. Im Zentrum dieser Auseinandersetzung steht die Frage an die Welt der Bilder, ob auch für sie gilt, daß eins und eins tatsächlich immer zwei gibt.
Als Ausgangsbasis für eine Überlagerung dienen nun weder monochrome Flächen noch sogenannte "reale Abbildungen". Ein Bild setzt sich zusammen aus der Anwesenheit oder Abwesenheit von Licht. Um idealtypisch das ganze Spektrum dieser Präsenz oder Nichtpräsenz von Licht zu zeigen, wird deshalb auf Variationen von Helldunkelverläufen zurückgegriffen. Eine maßgebliche Bedeutung kommt dem zu, was sich zwischen dem Hellen und dem Dunkel befindet. Das Zentrum einer Helldunkeloszillation bildet nämlich das dazwischen liegende Grau.

Für gewöhnlich vergißt das Auge allzu gerne diese Mitte und orientiert sich meist immer an den Extremen. Dies gilt auch für den Verlauf zwischen zwei Farbtonwerten. Eine Doppelarbeit widmet sich diesem Sachverhalt. Einem Wellenmuster ist eine monochrome, gräuliche Fläche gegenübergestellt. Die einfarbige Fläche setzt sich aus dem Tonwert zusammen, um den die beiden Farbtonwerte des anderen Bildes oszillieren.

Der kaum wahrgenommene, dazwischen liegende Farbton spielt bei einer Überlagerung eine zentrale Rolle. Schwarz und weiß zusammenzuzählen ist relativ einfach, das was dazwischen liegt aber nicht mehr. Die ursprüngliche Rechnung wird also immer schwieriger. Beispielsweise in einer Arbeit über Intervalle interferieren jeweils zwei Wellenmuster im ganzzahligen Verhältnis zweier unterschiedlicher Töne. Die einzelnen Muster sind jeweils vollkommen klar und artikuliert, das Ergebnis aber völlig unvorhersehbar.

Installationsansicht, Lamdaprint auf Ilfochrome Classic, Aludibond 100 auf 150 cm

Das interessante an einer rechnerbasierten Arbeit besteht gerade darin, daß einerseits das simple Zusammenzählen binärer Codes aus Einsen und Nullen steht und daß andererseits sich eine solche Klarheit bereits bei einem "Zusammenzählen" von einfachen Verläufen auf dem Monitor nicht mehr nachvollziehen läßt. Offensichtlich kommt es beim Zusammenzählen nicht nur auf das Wieviel sondern auch auf das Wie an. Es werden zwar immer Zahlenwerte addiert, jedoch besteht beispielsweise ein großer Unterschied, in welchem Farbsystem gerade agiert wird. Die Amotionen verstehen sich somit als eine Untersuchung der Differenz zwischen berechnendem, digitalen Prozeß und dessen analogen, unberechenbaren Erscheinung. Meine Absicht ist es diese Differenz klar hervortreten zu lassen. Es mutet dabei paradox an, daß je unberechenbarer der Prozeß wird, das bildliche Ergebnis scheinbar immer malerischere Qualitäten gewinnt.


Ansicht in der Ausstellung "Digitale Bildwelten", Kunstverein im Kutscherhaus, Recklinghausen 2002

Im Februar 2002 wurde mir für eine neuere Entwicklung der Amotionen der 2. Preis des Kunstpreis der Kreissparkasse Recklinghausen zuerkannt.

Lentikulärbild: Ansicht links, Mitte, rechts, 50 auf 70 cm
Prämiert wurde eine Arbeit mit der Linsenrastertechnik. Zwei Bilder werden nun nicht mehr am Monitor überlagert, sondern ineinander verrechnet und auf Photopapier ausbelichtet. Erst durch die Auflage eines Linsenrasters auf einen solchen Print wird die Überlagerung sichtbar. Das Berechenbare stößt an seine Grenzen, da das Ergebnis nur jenseits der Rechnersphäre erfaßt werden kann. Die resultierenden Bilder sind nun nicht mehr statisch sondern verändern sich je nach Betrachterstandpunkt. Eins und eins addieren sich ständig aufs neue.
Tim Otto Roth
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