Materie aus fernen Welten
Es ist ein ganzer Potpourri an Strahlen, der aus dem Kosmos auf den Planeten einwirken und teilweise durch das irdische Magnetfeld und die Atmosphäre eingefangen oder geblockt wird. Neben den elektromagnetischen Strahlen, wie z.B. das sichtbare Licht, treffen auch hochenergetische Kernteilchen auf die Erde ein. So machen von der Sonne ausgestoßenen Wasserstoffkerne als Teil des „Sonnenwindes“ sich in Form des Polarlichts bemerkbar. Mit noch viel höheren Energien bewegen sich auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigte geladene Teilchen durch die Galaxie. Diese vollständig ionisierten Atomkerne stammen von explodierenden Sternen, den Supernovae. Anschließend breiten sie sich für viele Millionen Jahre durch unsere Galaxis aus bis diese Materie aus fernen Welten irgendwann zufällig auf die Erde trifft.
Beschleuniger für kosmische Teilchen sind Super Novae. Der Krebsnebel resultiert von so einer gigantischen Sternexplosion. Er ist einer der meist studierten Himmelsobjekte in der Astronomie. Bild: Hubble Space Telescope
Luftschauer
Beim Auftreffen auf die Erdatmosphäre wechselwirken diese mit den Atomkernen der Luft. Die in den Kollisionen freigesetzte Energie wird in eine Vielzahl von Elementarteilchen umgewandelt und es bildet sich eine Teilchenkaskade aus, die ausgedehnten Luftschauer. Mit dem KASCADE Experiment in Karlsruhe werden konkret die dabei entstehenden Myonen und Elektronen gemessen. Aus deren Verteilung und Richtung lässt sich ein kosmischer Schauer rekonstruieren. Wird bei KASCADE die kosmische Strahlung im Energiebereich von 1014 bis 1017eV gemessen, so wird beim KASCADE-Grande Experiment, bei dem Meßstationen in größeren Abständen über das Terrain des Campus Nord des KIT verteilt sind, sogar Strahlung im Energiebereich von 1014 bis 1018eV gemessen.
KASCADE-Feld im Winter
Auger
Seit 1996 finden Messungen mit dem KASCADE-Experiment statt. 2007 ging mit dem Auger-Observatorium ein neues, noch viel größeres Experiment in Südamerika an den Start. Auf einer Fläche von ca. 3000 km2 in der argentinischen Pampa wird die Myon-Komponente in 1600 wassergefüllten Detektortanks am Boden nachgewiesen. Das Institut für Kernphysik ist im Bereich Konzeption und Aufbau der Fluoreszenz-Teleskope sowie der Datenaufnahme- und Triggerelektronik bei der internationalen Kollaboration beteiligt. Gerade befindet sich Auger für die nördliche Hemisphäre in der Planungsphase, das in Colorado (USA) noch größer realisiert werden soll. (Weitere Experimente...)
Schwarze Löcher
Mit dem Auger-Observatorium kann noch viel energiereichere Strahlung (bis 1020 Elektronenvolt) als in bisherigen Experimenten gemessen werden. Die Erde steht seit Urzeiten unter Beschuss der hochenergetischen Strahlung aus dem All, deren höchsten Energien Millionen mal höher sind, als sie in den größten irdischen Teilchenbeschleunigern erzeugt werden könnten. Gerne wird deshalb in der Debatte um die viel diskutierten schwarzen Löcher im LHC in Genf auf die kosmisches Strahlung verwiesen. Würden die für die Kollisionen im Beschleunigerring am CERN postulierten schwarzen Minilöcher tatsächlich so gefährlich sein, so wäre ein solches Miniloch schon längst durch die natürliche Kollision mit einem kosmischen Teilchen entstanden und hätte die Erde verschlungen. Schwarze Löcher fern ab unseres Sternensystems könnten aber Ursache für die höchstenergetische Strahlung sein. Es wird vermutet, dass aktive Schwarze Löcher in fernen Galaxien die Quelle für die extremen Teilchenenergien sind, über die sich die Physiker und Astronomen seit Jahrzehnten wundern.
Andreas Haungs erklärt KASCADE und Lopes
(Clip: Mpg, , 15 Mb, 1 min.)
Lopes
Werden hochenergetische Elementarteilchen von ihrer geraden Flugbahn abgelenkt, so emittieren diese Synchrotronstrahlung. Dies passiert nicht nur in kreisfrömigen Teilchenbeschleunigern, sondern auch, wenn ein geladenes kosmisches Teilchen durch das irdische Magnetfeld abgelenkt wird. Dass dabei u.a. Synchrotronstrahlung im Radiowellenbereich abgestrahlt wird, konnte 2004 am Institut für Kernphysik durch Vergleich mit Messungen des LOPES-Experiments mit KASCADE-Grande-Messungen gezeigt werden. LOPES ist ein Pilotprojekt für das zukünftig größte Radio-Array der Erde, genannt LOFAR (Low-Frequency Array). Es wird in der Endphase aus mehr als hundert über Holland, Deutschland und weitere europäische Länder verteilte Antennenfelder bestehen. LOPES (LOFAR PrototypE Station) bestehen aus einem Array aus 30 Radioantennen, die Daten im Frequenzbereich von 40 bis 80 MHz (entsprechend Wellenlängen etwa zwischen vier und acht Metern) registrieren, um dann mit den Messungen des KASCADE-Experiments korreliert zu werden.
Astroteilchenphysik und Teilchenphysik
Was die Forschung an kosmischen Teilchen so schwierig macht, ist, daß die von ihnen verursachten Luftschauer vergleichsweise selten sind und man nie genau weiß, wann und wo sie auftauchen. Deshalb ergänzen sich die Forschung der Astroteilchenphysik mit denen der Teilchenphysik, wie sie am LHC in Genf betrieben wird oder sich für das GSI in Darmstadt im Aufbau befindet, da durch die millionenfache Wiederholung der Teilchenkollisionen in einem Beschleunigerring das Verhalten der Elementarteilchen genauer verifiziert werden kann.
cosmic mirror (ohne Blitz) im KASCADE-Feld
Eiffelturm und Ballon - die Entdeckung der kosmischen Strahlung
1910 stellte der Jesuitenpater Theodor Wulf eine viertägige Messreihe auf dem Eiffelturm an, um die Ionisation der Luft zu messen. Eigentlich wollte er damit beweisen, dass die Ionisation mit wachsendem Abstand zur Erde abnimmt, da man damals davon ausging, dass ionisierende Strahlung maßgeblich von radioaktiven Nukliden in der Erdkruste verursacht wird. Zu Wulfs Erstaunen war die gemessene Strahlung auf dem Eiffelturm aber nicht niedriger – die Strahlung musste also von oben kommen.
1912 konnte der österreichische Physiker Viktor Franz Hess dies in einem luftigen Experiment beweisen. Hierzu nahm er mehrere von Wulffs Elektrometern in einem Heißluftballon mit und stieg bis auf Höhen von 5000 m auf. Da die Intensität der Strahlung mit zunehmender Höhe stetig anstieg, folgerte er daraus, daß diese Strahlung aus den tiefen des Alls kommen mußte und nannte sie deshalb kosmische Strahlung. 1936 wurde er für seine Untersuchungen mit dem Nobelpreis in Physik ausgezeichnet. Zwei Jahre später entdeckte der französische Physiker Pierre Auger die Luftschauer.
Stationen in der Erforschung der kosmischen Strahlung: Eiffelturm, Victor Hess im Fesselballon, Pierre Augger, Atomkernzertrümmerung durch kosmische Strahlung (Marietta Blau 1937)
Kosmische Strahlung als irdisches Phänomen
Die Polarlichter gehören zu den seltenen Spektakeln bei denen sich ein Teil der kosmischen Strahlung sichtbar macht. Das Farbenspiel in der Atmosphäre wird durch die geladenen Teilchen des Sonnenwindes verursacht, die aufgrund ihrer Ladung von den Magnetpolen der Erde angezogen werden und dort die Gase in der hohen Atmosphäre zum Leuchten anregen. Kommt es zu starken Sonneneruptionen so macht die Wechselwirkung des Sonnenwind sich auch in anderen Breitengraden negativ bemerkbar, da durch der Funkverkehr in der Ionosphäre gestört wird und Satelliten durch den Teilchenbeschuss lahmgelegt werden können.
Auch ein weit alltäglicheres Phänomen wird heute in Verbindung mit der kosmischen Strahlung gebracht: So vermutet man, dass kosmische Teilchen die hohe Initialenergie aufbringen, um einen Gewitterblitz auszulösen. Messungen mit LOPES werden hierzu näheren Aufschluss geben.
Naturphänomen ausgelöst durch kosmische Strahlung: Gewitterblitz und Polarlicht
Strahlung aus dem Kosmos und der menschliche Körper
Ein Großteil der kosmischen Strahlung wird glücklicherweise von dem Magnetfeld und der Atmosphäre von der Erde abgeschirmt. Leben wird somit erst auf der Erde möglich. So werden elektromagnetische Strahlen, wie Röntgen- und Gammastrahlen, aber auch Teil des UV-Spektrums von der Atmosphäre absorbiert. Je dichter die Atmosphäre wird, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein kosmisches Teilchen auf den Atomkern eines Atmosphärengases trifft und seine hohe Energie kontinuierlich in einer Kaskade von Sekundärteilchen verliert. Umgekehrt bedeutet dies aber, dass je dünner die Luft wird, auch die Strahlenexposition zunimmt. Der Mensch ist also auf einer Hochgebirgstour und insbesondere auf einem Interkontinentalflug über den Nordpol einer erhöhten Strahlung ausgesetzt.
Neben der Atmosphäre schützt das Erdmagnetfeld die Erde vor der Strahlung im All. Leben wurde so erst auf dem Planeten möglich. Bild: Adaptiert von ESA
Kosmische Strahlung im All
Besonders hoch ist die Strahlenexposition für Astronauten jenseits der schützenden Atmosphäre im All. Die hohe Strahlung macht sich sogar sichtbar bemerkbar. So machen sich bei 80 Prozent der Astronauten die Strahlung als unkontrollierbare Lichtblitze so genannte „Light Flashes“ im Sehfeld bemerkbar. Von diesen unerwartete Phänomene berichtete 1969 erstmals die Besatzung der Apollo 11 Mission: Lichtblitze, Wolken und Streifen, die auch bei geschlossenen Augen wahrgenommen wurden. Gerade bei bemannten Langzeitmissionen zum Mond und zum Mars stellt die kosmische Strahlung ein bislang noch ungelöstes Problem dar. Da die Besatzung den schützende Van-Allen-Strahlungsgürtel verlässt, ist sie kontinuierlich einer extrem hohen Strahlenbelastung ausgesetzt. Die „Light Flashes“ könnten dabei ein psychologisches Problem darstellen, da sie die stete Exposition sprichwörtlich vor Augen führt. Im „Cosmic Flash“ Projekt beschäftigt sich Tim Otto Roth eingehender mit den Blitzerfahrungen der Astronauten insbesondere auf der Internationalen Raumstation (ISS).
Der Schwedische Astronaut Christer Fuglesang berichtet über seine "Light Flashes" auf der ISS währedn der STS-116 (Celsius) Mission im Dezember 2006.
(Clip: Mpg, , 20 Mb, 1 min.)
Abiogenese – Energie für die Entstehung des Lebens
Obgleich die kosmische Strahlung für höhere Lebewesen extrem gefährlich ist, hat sich ihr vermutlich die Entstehung des Lebens mit zu verdanken. Kosmische Strahlung könnte zu Urzeiten mit die Energie geliefert haben, um aus Elementen wie Stickstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff organische Moleküle wie Aminosäuren zu bilden, die die Grundlage des Lebens bilden.
Links
Im Zusammenhnag mit dem KASCADE Experiments wurde CORSIKA entwickelt, um verschiedene Arten von Luftschauern zu simulieren. Die Projektseite wartet mit Illustrationen und Animationen auf: CORSIKA.
Cosmic Flash Projekt - Teil der Studie zur kulturellen Nutzung der International Space Station erstellt durch The Arts Catalyst in London für die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) . Schauen Sie sich das Videoproposal für die International Space Exploration Conference 2007 in Berlin an (, Mpg, 131 Mb, 7 min.).
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