Reinhard Wilhelm- computer scientist

Reinhard Wilhelm
"data structures may exist without data as platonic idea"
(links for Reinhard Wilhelm)

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Herr Wilhelm Sie sind Direktor von Schloß Dagstuhl und Professor für Informatik an der Universität Saarbrücken. Was für eine Rolle spielen Bilder in ihrem beruflichen Feld.


the branches of a data structure tree can grow together again

Bilder spielen nur in einem kleinen Bereich meiner Arbeit eine Rolle. Aber es gibt ein Teilgebiet, in dem ich versuche, Algorithmen auf Datenstrukturen durch Bilder zu erklären. Diese Algorithmen arbeiten z.B. auf Bäumen. Es gibt hierbei Analogien zu Bäumen aus der Natur. Erklärung von Algorithmen ist ein didaktisches Instrument, das man in der Lehre einsetzen kann. Im Gegensatz dazu gibt es die Disziplin der wissenschaftlichen Visualisierung (scientific visualization), die große Menge von Daten, die man als Mensch nicht mehr überschauen kann, durch eine getreue und adäquate Visualisierung einem Betrachter zugänglich macht, der daraus die durch die Daten tatsächlich gebotenen Schlüsse ziehen kann.

Wenn man Daten in solchen Bäumen strukturiert, bleibt man da auf der Ebene der generischen Daten oder bezieht man dabei mit ein, wofür die Daten sind?

structuring data is independant from the final application

Der Informatiker betrachtet die Datenstrukturen häufig unabhängig von der Anwendung. Das ist unabhängig davon, ob ich in dem Baum das Telefonbuch oder eine sortierte Menge von Experimentaldaten abspeichere. Die Datenstruktur ist wirklich generisch und auch meine Erklärung ist generisch.
Wenn ich einem Studenten erklären will, wie ein binärer Baum aufgebaut wird, wie ich da ein Element einfüge, lösche oder wie ich zwei binäre Suchbäume miteinander mische, dann spielt es keine Rolle, ob da jetzt Jahreszahlen oder Nachnamen drinstehen.
Die Programmlogik ist genau die gleiche. Sie wird erklärt unter Rückgriff auf die absolut notwendige, zugrunde liegende Ordnung. Also, genauso wie ich sagen muß, daß Roth vor Wilhelm kommt, muß ich eben sagen, daß 5 vor 6 kommt.

Heißt das, daß der Informatiker bei wissenschaftlichen Daten also gar nicht wissen muß, daß er also Daten von einem speziellen Experiment, wie z.B. aus der Astrophysik, vor sich hat?

semantic plays a role if you want to visualize and analyse the data

Ja, passen Sie auf, denn das ist jetzt eine ganz heikle Frage. Wenn ich diese Daten sortiert unterbringen will, damit ich da gut drauf zugreifen kann, ist es im Prinzip egal, wo die herkommen.
Wenn ich jetzt aber eine wissenschaftliche Visualisierung machen möchte, also einen Datensalat einem Betrachter visuell zugänglich machen will, verhält es sich anders. Es ist vollkommen klar, daß die Semantik mit ins Spiel kommt, wenn ich den Betrachter zu den richtigen Schlüssen aus dieser Darstellung bringen will, die er genauso ziehen würde, wenn er diesen Datensalat halt ein paar Jahre studieren würde. Wichtig ist hierbei, das Experiment, das Messinstrument und die spezifische Eigenarten des ganzen Prozesses zu kennen, um die Daten entsprechend zu interpretieren.

Ist es hier nicht schwer, die informatische Disziplin zu beherrschen und gleichzeitig fit zu sein in anderen - wenn ich z.B. jetzt gerade an die Genomik denke in der Biologie?

searching for relevant data in genomics by pattern recognition

Ja, das machen Leute, die tatsächlich in den beiden Bereichen fit sind. Wir haben in Saarbrücken eine starke Bioinformatik. Die suchen in Datenbanken, in denen hunderttausende von Genominformationen gespeichert sind, nach Mustern, die auf bestimmte Krankheiten hindeuten. Das machen sie mit einem Mustererkennungsprozess und reduzieren das Verfahren dann auf wenige Fälle, die man noch dann intensiv untersuchen muß. Die Leute verstehen sich in beiden Disziplinen oder sie arbeiten mit Leuten zusammen, die das können.

Sie haben eben diese Baumstruktur angeführt, um sich in Daten zu bewegen und sie zu verstehen. Entspricht das den Mustern, von denen Sie gerade sprachen, oder ist das etwas anderes?

youn can find certain elements faster in sorted data

Das ist wieder etwas anderes. Diese Baumstruktur oder Listenstruktur ist eine Art, wie Sie im Rechner Daten zugreifbar halten können. Das hat nicht mit in der Natur vorkommenden Bäumen zu tun. Sondern es handelt sich um eine Art, wie ich Daten speichern kann. Diese Bäume, wenn man sie auf gewisse Art und Weise hält, haben den Vorteil, daß ich schnell, in einer sortierten Menge von Daten, ein bestimmtes Element finden kann.
Nun spielen noch Effizienzfragen mit hinein. Wenn ich eine Menge von „n“ Daten durchsuchen muß und dieses „n“ ziemlich groß ist. Dann muß ich, um ein Element zu finden. wenn ich mich ungeschickt anstelle, muß ich da „n“ Schritte machen. Wenn ich es jetzt in den Baum abspeichere, dann muß ich nur Logarithmus von „n“, das sind erheblich weniger Vergleiche, machen. Deshalb wählt man für solche Zwecke dann z.B. einen sortiertenBaum als Art die Daten abzuspeichern.

Diese Schemen, die hierfür verwandt werden, gehen die aus den Daten hervor oder setzt man klassische Schemen voraus und versucht diese drauf anzuwenden?

data structures may exist without data as platonic idea

Man könnte eine platonische Einstellung einnehmen und behaupten, Datenstrukturen gibt es auch unabhängig von allen Daten.
Wenn ich jetzt mit dem Problem konfrontiert werde, eine große Menge an Daten abzuspeichern und ich weiß, daß ich dort häufig sortiert drauf zugreifen muß, dann sortiere ich diese, speichere sie in einem Baum ab und habe sie dann effizient zugreifbar.
Also man kann wirklich sagen, daß es diese Bäume unabhängig davon gibt, ob ich da jemals irgendwelche Daten drin abspeichere. Die gibt es sozusagen als Idee, als platonische Idee.

Mit Fraktalen oder zellulären Automaten möchte man Naturprozesse simulieren. Bemerkenswert ist doch hierbei, daß solche Muster, wie z.B. Fraktale, in Kunst und Kultur vorher noch nicht entwickelt wurden- zumindest behauptet man das. Wie stehen Sie zu solchen Analogie zu Natur und Kultur?


bush created by L-system

Es gab einmal eine Zeit lang in der Informatik viel Forschung in Richtung sogenannter Lindenmayer-Systeme. Das waren formale Systeme, die sich angeblich so wie Zellkulturen vermehrten. Allerdings stellte sich die Frage, ob Sie diesen Vorgang der Vermehrung von Zellkulturen tatsächlich beschreiben und zweitens war es nicht richtig spannende Informatik. Also man hat, so weit ich das weiß, diesen ganzen Bereich eigentlich abgeschrieben. Aber es ist eine Analogie, die sich irgendwie aus der Biologie oberflächlich herleitete.

the symbol pushing brain is a crude abstraction

embodied artificial intelligence: somehow body and mind can't be separated

Ähnlich sehe ich das mit neuronalen Netzen. Neuronale Netze sind so eine Abstraktion, die angeblich auch die menschliche Art zu denken widerspiegeln. Ob das der Fall ist, weiß wahrscheinlich niemand, weil niemand weiß, wie der Mensch denkt. Also insofern ist das noch alles sehr spekulativ. So ähnlich wie ungefähr vor 150 Jahren die Leute ein hydraulisches Körperbild gehabt haben- ein Mensch als ein Wesen von Drücken und Schläuche - so haben ja auch die traditionellen KI-Forscher (KI = künstliche Intelligenz), ein merkwürdiges Bild vom menschlichen Gehirn als eine symbol pushing machine gehabt. Das hat sich total erledigt. Solche Versuche hat es immer wieder gegeben und wird es auch immer geben. Seit etlichen Jahren wissen die KI-Leute, daß das symbol pushing brain eine krude Abstraktion war, die eigentlich überhaupt nicht trägt. Sie haben entdeckt, daß Intelligenz körperlich sein muß, also irgend etwas mit Körperlichkeit zu tun hat. Deswegen gibt es jetzt die embodied artificial intelligence, wo Körper und Kopf zusammenspielen. Wenn die Leute Recht haben sollten, dann hieße das eben, daß offensichtlich Körperlichkeit des Menschen nicht von der Intellektualität zu trennen ist.

Mit der Philosophie hat die Informatik gemein, daß sie völlig immateriell ist, da sie kein, primäres materielles Pendant hat. Das andere geisteswissenschaftliche Bezugsfeld oder Spannungsfeld bildet die Mathematik. Wie verläuft die Grenzziehung dorthin?

an interesting aspcect of computer science: a formal desciption can become an object of processing

Diese ist fließend, insbesondere die theoretischen Konzepte der Informatik sind Mathematik, die ich in Form von mathematischen Definitionen gebe. Ich könnte auch die Definition davon, was ein binärer Suchraum ist, in Form einer mathematischen Definition hinschreiben. Mathematik ist sozusagen die Sprache der Informatik. Wann immer ich formal über irgendein informatisches Thema rede, benutze ich Mathematik. Das ist ein Aspekt; ein anderer wichtiger Aspekt der Informatik ist, daß Beschreibungen wieder Objekt der Bearbeitung werden. Das ist zum Beispiel hier unter anderem auf Schloß Dagstuhl das Thema dieser Woche, daß wenn ich etwas formal beschreibe, ich diese Beschreibung wieder Verarbeitungsregeln der Informatik unterwerfen kann. Ich kann sie also übersetzen in anderer Form. Darüber hinaus kann ich aber den eben beschriebenen Implementierungsschritt sogar wieder mithilfe eines Programms automatisieren und nicht alles nur dem Programmierer überlassen.
Natürlich kann ich, wenn ich einen Transformator implementiere, der eine Beschreibung eines Informatiksystems in eine andere Beschreibung überführt, wieder angucken, ebenso dessen Eigenschaften, und da wieder oben eine weitere Ebene drauf setzen. So kann ich viele Bearbeitungsschichten aufeinander aufhäufen.
Ein interessanter Aspekt der Informatik ist, ist eben diese Tatsache, daß eine formale Beschreibung eines Systems selbst wieder Gegenstand der Verarbeitung werden kann. Ich muß mir das in Form von aufeinander getürmten Metaebenen veranschaulichen.
Greift da die mechanische Metapher von Zahnrädern noch oder muß man da nicht andere Metaphern dann finden, wenn man das Ineinanderwirken von verschiedenen Programmen beschreiben möchte?

the gearwheel metaphor does not work in this case

Die Zahnradmetapher greift hier sicher nicht. Vielmehr haben wir eine Maschine, die Zahnräder produziert oder aus einer Art von Zahnrädern, eine andere Art von Zahnrädern macht.

Als wir uns das erste Mal getroffen haben, sprachen wir auch über die Rezeptionsschwierigkeiten, die nach wie vor Mathematik im Bereich der bildenden Kunst hat. Umgekehrt haben wir uns gewundert, warum Musik eigentlich nie so Berührungsängste gehabt hat und sehr früh mit Mathematik und Informatik gearbeitet hat. Was könnten noch mal die Gründe dafür sein, daß die Musik viel unverkrampfter damit umgeht?

music always had strongly formalized disciplines

Ja, die Musik besaß immer Teildisziplinen, die stark formalisiert waren, wie z.B. Fugen. Das Komponieren einer Fuge unterlag sehr strengen Regeln, die formaler Natur waren. Also, es war vollkommen klar, was man machen durfte, wenn man eine Fuge schrieb und was nicht. Ähnliches kenn ich z.B. auch aus der Lyrik. Lyrik hat auch Unmengen von Regeln, die sagen, was man darf, was man nicht darf. Eine extreme chinesische Art von Lyrik, schreibt z.B. vor, daß jeder Vers, jede Zeile mit dem nächsten Buchstaben im Alphabet anfangen muß. Es gibt also Kunstformen mit extrem durchformalisierte Regeln. Es ist dann eine Riesenherausforderung wirklich Fugen oder solche Gedichte zu schreiben, die all diesen Regeln genügen. In der Musik hat das eigentlich immer schon Tradition, sie ist ja auch sehr abstrakt. Man sagt ja auch, daß die Deutschen dort so eine Riesenrolle gespielt haben, weil sie diesen Hang zur Abstraktion besonders entwickelt hätten.

Es kann aber durchaus sein, daß ein extrem regelhaft aufgebautes Bild langweilig wirkt. Was die bildenden Kunst anbelangt, da habe ich eine interessante Unterhaltung mit einer Künstlerin gehabt, die hier zweimal ausgestellt hat und die Musik und Kunst studiert hat. Sie hat u.a. musikalische Systeme, die sehr formal sind, bildnerisch dargestellt hat. Sie sagte aber, daß es extrem wichtig wäre, daß man diese Systeme stören würde, sonst würden die Bilder langweilig. Also wenn die Regeln zu rigide eingehalten würden, dann empfindet der Betrachter das als langweilig.

Was ich bemerkenswert finde, ist, daß die Bilder, die Sie hier auf Schloß Dagstuhl ausstellen, man gerade nicht als algorithmische oder informatische Bilder bezeichnen kann.

art should be sensuous

Das ist auch nie das Ziel gewesen. Unsere Gäste schwitzen hier genug über formale Fragen. Mir liegt viel daran, daß sie, wenn sie aus dem Vortragssaal oder aus dem Besprechungszimmer rauskommen, daß sie vielmehr eine sinnliche Herausforderung in den Bildern vorfinden – also etwas anderes, als abstrakte, formale Arbeiten. Mir liegen eigentlich Künstler, die sinnlich daherkommen am meisten. Die Erfahrung mit den Ausstellungen hier zeigt, daß solche Künstler bei unseren Gästen am besten ankommen.

Wie kamen Sie dann dazu, die Imachinationen hier zu zeigen?

you need a stronger povocation

Das Projekt ist ein Ausreißer. Hier war doch mehr das Konzept entscheidend gewesen und nicht die sinnlichen Aspekte. Es ist so, daß meiner Erfahrung nach Wissenschaftler, Informatiker, Mathematiker für etwas, was eine innere Logik hat, zu gewinnen sind. Also das kann ein Text, wie eine Glosse oder Satire, sein oder auch eine Bildserie.

Bei den Imachinationen interessiert man sich erst mal dafür, wie diese Folge von hundert Bildern entsteht. Wenn es zudem nachher noch, sagen wir mal, noch einen sinnlichen Eindruck hinterlässt, indem man die Arbeit als Folge von Bildern anschaut, dann ist das schön.

Die Leute, die hier für eine Woche in der Kunst leben, die gehen jeden Tag vier mal durch die Ausstellung. Da ist mir schon wichtig, daß sie auch im Vorbeigehen immer irgendwie einen sinnlichen Eindruck mitnehmen. Das ist schon ein deutlicher Unterschied. Also ich habe schon Anfragen nach Ausstellungen abgelehnt, weil die Künstler mir sagten, sie hätten eine Kunst, die Informatikern etwas sagen müßte. Das war eine sehr intellektuelle Kunst und wenig sinnlich. Bei einer Präsentation von solchen Arbeiten hätte ich das Gefühl, wenn unsere Leute etwas geschlaucht vom Arbeiten zu ihrem Zimmer daran vorbeigehen, dann würden diese gar nicht mitkriegen, daß da was hängt. Man braucht schon eine stärkere Provokation, glaube ich, wenn man so intensiv arbeitet, wie die Leute das hier tun.

Zur Thema sinnlicher Aufbereitung fällt mir natürlich sofort die Architektur des ehemaligen Klosters Schloß Dagstuhl ins Auge. Wie kam es eigentlich dazu, daß der neue Erweiterungsbau, wo jetzt die Präsentation der Imachinationen stattfindet, diesen Kreuzgangcharakter hat? War das ein Zufall oder hat sich das so aus der Ausschreibung ergeben?

4 or 5 sketches from 33 proposed a monstery for the new building of Schloß Dagstuhl

Ich war selbst in der Architektenjury. Die Entwürfe zerfielen in mehrere Klassen, in mehrere Typen. Es gab keinerlei stilistische Vorgabe, wie z.B. sich an einem Kloster zu orientieren. Aber es gab tatsächlich vier oder fünf unter den 33 Entwürfen, die tatsächlich ein Kloster vorgeschlagen haben. Die meisten haben ganz andere Entwürfe geliefert.

Wie kam es dann zu dieser Entscheidung für das Klosterartige?


like a monastery: Schloß Dagstuhl with new building by Herbert und Werner Huppert, Saarbrücken

Das kann man genau sagen. Für mich war es überraschend. Bei dem Wettbewerb gab es eine große Gruppendynamik. Es war für mich faszinierend zu beobachten, wie die fünf oder sechs Fachpreisrichter und fünf Sachpreisrichter einen Tag lang von morgens bis abends gerungen haben über diese 33 Entwürfe. Am Ende waren alle einhellig der Meinung war: das ist der Entwurf. Also das war der eindeutige Sieger. Der ausschlaggebende Punkt war, daß die Jury meinte, der Entwurf habe eine Seele und verkörpere, was hier getrieben werden soll. Die Funktionsbauten sind von einem Quadrat von Zellen umgeben, wo die Leute sich in die Landschaft ergießen können und ihre Seelen öffnen können, wenn sie hier raus kommen. Man öffnet sich also zur Landschaft, wenn man den funktionalen Bau in der Mitte verläßt. Man geht in sein Zimmer, kuckt aus dem Fenster und ist in einer wunderschönen Landschaft. Gleichzeitig hält dieses Quadrat mit den Wissenschaftlerzellen die Funktion in der Mitte bestehend aus dem Hörsaalwürfel und dem Bibliothekszylinder zusammen. Das haben die Architekten in ihrer Beschreibung auch sehr gut dargestellt. Die Jury hat ihnen das abgekauft und es zeigt sich tatsächlich hier im alltäglichen Betrieb, daß der Bau funktioniert.

Gibt es Analogien zu einer klösterlichen Atmosphäre, einem „ora et labora“?

analogies to a monastery: isolation from allday context

Ja, aber wir beten morgens nicht oder sind auch nicht sonderlich andächtig. Aber ich sehe die Ähnlichkeiten sehe in dem Prinzip der Isolation aus dem alltäglichen Kontext. Man kommt ja von sehr weit her, die Leute sind diese Woche ja aus den USA und aus Australien hergeflogen. Das Prinzip, das hinter der Wirksamkeit des ganzen Zentrums steckt, ist, daß man sich abkoppelt.

Die Klausur also?

you communicate at Dagstuhl more than in a whole year

Es ist das Prinzip der Klausur, daß man sich auf eine Woche zu einer Gemeinschaft zusammenfindet. Diese einwöchige Gemeinschaft baut einen Riesenkommunikationsdruck auf. Man kommuniziert eine Woche lang so intensiv, wie man es sonst im Jahr nicht macht. Das sind im wesentlichen die Gemeinsamkeiten mit dem Klosterprinzip: Klausur, Abkoppeln von der Außenwelt, Ruhe, Homogenität und hoher Kommunikationsgrad in der Gruppe.

Eine abschließende private Frage: Was ist denn bei Ihnen zu Hause Ihr Lieblingsbild?

I have two aquarells at home from my ancient art teacher: he was a good artist but not so good teacher

Wir haben zwei sehr schöne Zeichnungen von einer Künstlerin, die auch hier ausgestellt hat. Das sind zwei leicht abstrakte Zeichnungen aus einer Bergwerkskaue, also ein Waschraum. Dann habe ich zwei Aquarelle von meinem ehemaligen Kunstlehrer, der schon lange tot ist. Dieser war ein meisterhafter Aquarellist. Ich war komplett unfähig und war immer fasziniert, wie der Lehrer den Pinsel setzte. Alles verlief immer genau so, wie er das brauchte - ein absolutes Phänomen für mich. Aquarellieren ist so eine delikate Sache. Die beiden Arbeiten sind relativ realistische Aquarelle von einer Küstenlandschaft und einer Hafenszene im Heimatort meines Vaters, Varel in Oldenburg. Ganz gerne hätte ich den Lehrer, Kniffka hieß er, mal hier ausgestellt. Den ganzen Nachlaß könnte man bei seinen Söhnen kriegen. Ich glaube die faszinierendsten Bilder, die er gemalt hat, waren aus der Kriegszeit. Die Wehrmacht hat seiner Zeit Maler nach Rußland geschickt. Bilder vom Dnjepr stammen aus der Zeit: nur Brauntöne, im Sommer war das ja nur Matsch. Auch sein Flußlandschaften sind grandios. Kniffka hat seinen Lebensunterhalt als Kunstlehrer verdienent, weil es als freier Künstler doch noch ein bißchen schwierig war. Er war wirklich ein toller Künstler, aber kein Mann für die Schule.

interview with Tim Otto Roth from 1 December 2004 at Schloß Dagstuhl

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Reinhard Wilhelm/Fachbereich Informatik Uni Saarbrücken

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