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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

Solo-Selbständige: Unter Verdacht

by Karin Finkenzeller (14 Jun 2020)
Original source: Zeit

Die Klagen über die Not der Solo-Selbständigen in der Kulturbranche häufen sich. Am Beispiel der Sängerin und Songwriterin Vera Klima wird das Thema in der Zeit noch einmal diskutiert. Die Soforthilfe darf nicht zur Deckung von Honorarausfällen, sondern lediglich für laufende Betriebskosten verwandt werden. Da dieser Tatbestand zu Beginn der Bewilligung nicht so deutlich kommuniziert wurde, haben viele Kulturschaffende Soforthilfe erhalten, die laut dieser Regelung nicht antragsberechtigt waren – obwohl sie aufgrund des Berufsverb ots keine anderen Einnahmequellen haben. So sehen sich die Künstler*innen nun nicht nur von Existenznot bedroht, zugleich sind sie mit dem Gesetzt in Konflikt. Bis zu fünf Jahren Haft drohen bei falschen Angaben im Bewilligungsverfahren der Soforthilfe. Wer es sich leisten kann, rührt die Soforthilfe nun erste einmal nicht an und wartet ab, ob er sie zurückzahlen muss – das können sich aber nur die wenigsten leisten. 
Dass die Künstler*innen sich Leistungen vom Staat erschleichen, die von diesem viel zu leichtsinnig vergeben werden, scheint auch dadurch in der Öffentlichkeit plausibel, weil Betrüger versuchten, an die Geldtöpfe von Bund und Land zu gelangen. Alleine 4.400 Verdachtsmeldungen gab es in 7 Wochen. In einigen Bundesländern hat man allerdings durchaus Verständnis für die Branche. In Baden-Württemberg und Bayern wurde im Rahmen der Soforthilfe auch ein fiktiver Unternehmerlohn gewährt, während in Nordrhein-Westfalen zumindest ein Teil der Künstler*innen eine Soforthilfe aus dem Kulturetat erhalten haben.
Ein Aufruf zur Nachbesserung haben Rainer Bode, Kulturberater in Münster, und einige Mitstreiter an den Bundestagsausschuss für Kultur geschickt. Dieser tagt am kommenden Mittwoch. Es bleibt die Hoffnung, dass sich doch noch etwas ändern könnte. Derweil sieht sich der eine oder die andere schon nach einem neuen Betätigungsfeld außerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft um. 

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tag Soforthilfe Solo-Selbständige Existenzangst Vera Klima
Alle Sparten Bericht

Die vergessenen Selbstständigen

by Jagoda Marinic (12 Jun 2020)
Original source: Mannheimer Morgen

Aus Anlass des vom Kabinett zu verabschiedenden Konjunkturpaket denkt Jagoda Marinic über die Rolle der Solo-Selbständigen und Freiberufler nach, die in diesem Paket nicht bedacht werden. Darin sieht Marinic einen Widerspruch zur bisheringen Politik, wurde doch mit Gründerprogrammen und Workshops versucht, vor allem auch jungen Menschen die Selbständigkeit als Arbeitsmodell schmackhaft zu machen. Nun wird gerade diese Berufsgruppe nicht aufgefangen, die aus Solidarität gegenüber der Gesellschaft ein Berufsverbot akzeptiert hat - zu ihr gehören vor allem auch Künstlerinnen und Künstler, die oftmals nahe an der Scheinselbständigkeit beschäftigt sind. Noch scheint diese Gruppe keine Lobby zu haben, weshalt sie aktuell von der Bundesregierung vergessen wird.  Diese (jungen) Kreativen stehen zugleich für neue Arbeitsmodelle, die sie mit Leidenschaft und Risikobereitschaft verfolgen. Das gilt es auch in Zukunft zu fördern!

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tag Solo-Selbständige Konjunkturpaket Solidarität Arbeitsmodelle
Alle Sparten Tagebuch

»Erwerbstätige dritter Klasse« . Soloselbstständige fühlen sich von Koalition im Stich gelassen

by Anja Müller, Frank Specht (07 Jun 2020)
Original source: Handelsblatt

Solo-Selbständige werden im Konjunkturpaket der Bundesregierung nicht erwähnt, so die Kritik des Verbands der Gründer und Selbstständigen (VGSD). Statt die neuen Förderinstrumente so umzugestalten, dass sie kleine Unternehmen und Freiberufler zugutekommen, werden aus dem Sofortprogramm nicht ausgeschöpfte Mittel einem Topf zugeschlagen, der größeren Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern stützen soll. Kosten für Lebensunterhalt, Miete oder die Krankenversicherung können Solo-Selbständige und Kleinunternehmer für sich selbst nach wie vor nicht geltend machen. Die Enttäuschung ist groß, denn der einzige Ausweg ist der Hartz IV-Antrag. Doch selbst den vereinfachten Antrag, bei dem weder die Besitzverhältnisse offen gelegt, noch die Angemessenheit der Wohnung nachgewiesen werden muss, können viele Solo-Selbständige nicht stellen, entweder weil sie ihre Altersrücklagen angreifen müssten oder weil – unabhängig von den dennoch zu erbringenden Nachweisen – ein umfassendes Formularwerk von rund 100 Seiten ausgefüllt werden muss.
Kritik am Konjunkturpaket kommt auch von den Bundesländern. Diese drängen darauf, dass die Überbrückungshilfen auch zur Sicherung des Lebensunterhalts genutzt werden dürfen, wie das in einigen Bundesländern für die Soforthilfe gehandhabt wurde. An Freitag verabschiedete der Bundesrat einen Entschließungsantrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, »wenigstens selbstständige Künstler und Medienschaffende in der Corona-Krise stärker zu unterstützen«. Dazu könnte beispielsweise ein monatlicher Zuschuss gewährt werden, mit dem die Lebenshaltungskosten gedeckt werden können.

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tag Konjunkturpaket Hartz IV Bundesrat Solo-Selbständige
Alle Sparten Bericht

Das Eine-Milliarde-Euro-Baby

by Dirk Peitz (05 Jun 2020)
Original source: Zeit

Dirk Peitz geht der Frage nach, wie die Krise der Kultur in Deutschland genau zu beschreiben ist und wer aktuell die Kosten trägt, die in der Kulturbranche entstehen.
In den ersten Monaten der Krise hat die öffentliche Hand mit Soforthilfen Solo-Selbständigen und bislang nicht subventionierten Einrichtungen über die Krise hinweggeholfen. Im Kulturpaket sind nun Hilfen für Kultureinrichtungen vorgesehen. Eine Milliarde wird aber nicht ausreichen, um die Kulturszene und das Kulturangebot wie wir es aus Vor-Corona-Zeiten kennen, aufrecht zu erha lten.
Aber: Der Bund kann nicht alle Verluste von Privatunternehmen auffangen – zumal Länder und Kommunen die zentralen Kulturförderer in Deutschland sind. So sind die Gelder aus dem Kulturpaket vor allem für Kosten für die Einhaltung von Hygieneregeln, Privattheater, Kinos und Filmproduktion vorgesehen.
Die entscheidende Frage: Was kann man und was will man erhalten, wurde bislang nicht gestellt. Beantwortet werden kann sie erst, wenn absehbar ist, wie langanhaltend die Wirtschaftskrise die öffentlichen Kassen beeinträchtigen wird. Da die Kulturbranche in Unterschied zur Lufthansa keine überragende strategische Bedeutung hat, wird sie nie solch hohe Fördersummen erhalten, wie sie anderen Branchen und Unternehmen zugestanden wird.
Die »latent fehlende Systemrelevanz« wird nun zum Problem, kann die Kultur doch nicht nachweisen, dass sie als »Lebensmittel« oder »Wirtschaftsfaktor« von zentraler Bedeutung für unsere Gesellschaft ist. Was aktuell nicht ins Wohnzimmer gestreamt werden kann, spielt keine Rolle. Und so zeigt Peitz auf, warum Kultur nun gerade keine vegetative Grundbedürfnisse befriedigt, ihren Konsument nicht einmal zu einem besseren Staatsbürger macht.
Aber – so erläutert er das Paradox – obwohl die Kultur ein »totales Luxusprodukt« ist, ist sie auch zugleich ein elementares Medium. Sie ermöglicht es dem Gemeinwesen, sich über elementare Werte zu verständigen.
Noch gibt es keine belastbaren Zahlen, wie stark wiedereröffnete Museen, Kinos, Konzerthallen und Clubs nachgefragt sind. Auch bislang waren es nur rund 10 Prozent der Bevölkerung, die mindestens einmal im Monat eine Kultureinrichtung besucht haben. Allerdings zählt die Kulturbranche rund 1,7 Millionen Beschäftigt. Die Zahl findet Dirk Peitz so überzeugend, dass er am Ende doch für eine pragmatische Kulturpolitik plädiert. Die schiere Menge scheint auch zu gewährleisten, dass ab und an gute Kunst entstehen kann. Noch stehen die Karten gut, dass die Kulturbranche weiterhin unterstützt wird – wenn der Druck der Wirtschaftskrise zu groß wird, könnte es aber durchaus sein, dass die Karten neu gemischt werden….
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tag Monika Grütters Konjunkturpaket Kulturförderung Systemrelevanz
Alle Sparten Analyse

Warum wir das Kino brauchen

by Edgar Reitz (04 Jun 2020)
Original source: Die Zeit

Im digitalen Zeitalter hat sich das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit radikal geändert. Sind wir auch in den privatesten Räumen jederzeit erreichbar, so sind Theater, Museen, Bibliotheken und Kinos zu den wenigen Orten geworden, an denen wir offline sind. Während der Corona-Krise war man daher den Datenströmen schutzlos ausgeliefert. Dennoch bleibt die körperliche Erfahrung zentral für das Menschsein, zu der auch die Sterblichkeit gehört. In der arbeitsteiligen Gesellschaft gibt es nun zunehmend Bereiche, in denen k örperliche Produktionsprozesse keine Rolle mehr spielen. Diese benennt Reitz als Teil von Regierungs- und Herrschaftsinstrumenten. Zentrale Bedeutung für unser Menschsein weist er aber den Bereichen zu, in denen konkrete Tätigkeiten ausgeübt werden - im gemeinsamen Essen, dem Umgang mit Kindern oder eben in den Künsten. 
Auf der Basis dieser Überlegungen reflektiert Reitz die Bedeutung des Kinos in der Gegenwart: Wie wenige andere Orte bieten die Kinos in der Gegenwart einen Offline-Raum, in dem wir ganz bei uns selbst sind. Trotz des Filmerlebens in der Gemeinschaft fühlen wir uns hier als Individuum. Diese Chance muss das Medium Kino ergreifen, die Räume entsprechend gestalten und mit den übrigen Kulturangeboten in einer Stadt vernetzen. So können neue Veranstaltungskonzepte entstehen, die beispielsweise Künstler, Ausstellungen, Festivals, etc. mit einbinden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es nicht die Technik ist, die das Erleben beeinflusst, sondern der gesellschaftliche Rahmen. Die Zeit des Lockdowns, die für Kinos unter Umständen noch lange andauern kann, sollte genutzt werden, um solche Ideen reifen zu lassen und das Kino auf seine neue Aufgabe vorzubereiten. 

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tag Kino Offline-Raum Lebendigsein
Darstellende Kunst Gastbeitrag

Elend und Energie . Musik in Corona-Zeiten

by Eva Blaskewitz (02 Jun 2020)
Original source: Deutschlandfunk

Eva Blaskewitz nimmt die Zuhörer der Musikszene im Deutschlandfunk mit auf eine Reise durch die Musiklandschaft während der Coronakrise. Sie spricht mit der Sängerin Christiane Karg, die sich ohne Aussicht auf einen baldigen Auftritt stumm fühlt, und mit dem Vision String Quartett, das gerade die Release-Tour zur ersten CD absagen musste. Die jungen Musiker nutzen die Absage, um an ihrer nächsten Platte zu arbeiten. Wie so viele andere freischaffenden Musiker*innen haben sie aber aktuell kaum Einnahmen.
Die Absage aller Konzerte trifft abe r nicht nur die Musiker*innen. Konzertagenturen sind aktuell vor allem mit der Abwicklung nicht stattgefundener Veranstaltungen beschäftigt. Auch wenn die Branche sich über die neue Solidarität unter den Mitgliedern freut, planen lässt sich im Moment nur schwer, da es nach wie vor keine Vorgaben für den Herbst gibt. Ähnlich sieht es in der Kölner Philharmonie oder im Berliner Konzerthaus aus. Hier versucht die Marketingabteilung mit vielfältigen Onlineangeboten den Kontakt zum Publikum zu halten, allerdings ist man sich durchaus bewusst, dass schlecht ausgeleuchtete Streamings aus dem Wohnzimmer nicht den Ansprüchen der Häuser entsprechen. Professionelle Aufnahmen sind aber teuer und in Anbetracht der großen Einnahmeverluste – alleine im Berliner Konzerthaus belaufen sie sich auf 2 Millionen Euro – können sich die Häuser diese kaum leisten.
Gewinner der Krise sind auch in der Musikbranche Streamingdienste. Das auf klassische Musik spezialisierte Startup Idagio hat nicht nur ein breites Spektrum an Aufnahmen im Programm, mit Beginn der Coronakrise wurden auch hier neue Formate entwickelt. Neben Einführungen in Konzerte mit prominenten Musikern wird aktuell an Onlinekonzerten gearbeitet, an denen die Zuhörer*innen mit einer gelösten Eintrittskarte von Zuhause live teilnehmen können.
Neue Konzertformate entstehen aber nicht nur im Internet. Orchester gehen zu ihren Publikum, spielen auf öffentlichen Plätze oder Innenhöfen. Auch Balkonkonzerte professioneller Musiker*innen gibt es in der einen oder anderen Nachbarschaft. Edward Runge und Jacques Ammon, die regelmäßig für ihre Nachbarn spielen, sind sich einig: »Nichts ersetzt das Livekonzert und das gemeinsame Erleben als Publikum.«

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tag klassische Musik Absagen Honorare Konzerthäuser Konzertagenturen Onlineangebote Balkonkonzerte Idagio
Musik Bericht

Was wir im Lockdown über das Digitale gelernt haben

by Anika Meier (02 Jun 2020)
Original source: Monopol

Die Corona-Krise hat die Verlagerung ins Digitale extrem beschleunigt. Auch Kunstausstellungen wurden in Zeiten des Lockdowns online präsentiert. Wenn es keine andere Wahl gibt, dann greifen auch diejenigen, die Onlinemedien eher gemieden haben, auf Soziale Medien zurück, um sich mitzuteilen und auszutauschen. Anika Meier geht in ihrer Kolumne der Frage nach, was wir in der Krise im Hinblick auf das Digitale gelernt haben.
Livestreams werden zu den neuen Podcasts. Allerdings bekommen die Zuschauer*innen das Gespräch ungefiltert mit. Kein Journalist, keine Journalistin redigiert und streicht Redundantes und Überflüssiges. Dadurch kommt man den Künstlerpersönlichkeiten näher, ist aber vielleicht auch etwas enttäuscht, weil diese nicht so sind, wie man sie sich vorgestellt hat.
Ebenfalls große Aktualität haben Online Viewing Rooms. In ihnen versuchen Messen und Galerien ihr Angebot zu den Sammlern zu bringen. Der Scroll- und Klickmarathon kommt aber bei den Besucher*innen nicht gut an. Das Flair der Messe fehlt, die Technik ist noch nicht wirklich ausgereift und so macht sich schnell Langeweile breit. Dennoch ist die Branche überrascht, denn – so der Galerist Iwan Wirth – die Bereitschaft der Sammler online einzukaufen ist größer als erwartet.
Kuratoren wie Hans Ulrich Obrist setzen hingegen auf den Einsatz neuer Technologien: Augmented Reality ist die Zukunft. Allerdings hat Anika Meier begründete Zweifel, ob ein Regenbogen, der über ihren Küchenboden schwebt, wie ihn aktuell die koreanische Künstlerin Koo Jeong A zeigt, »die Zukunft der Kunst ist«. Und auch die von Daniel Birnbaum gepriesene kuratorische Leistung desjenigen, der die Kunst – in diesem Fall den Regenbogen – in der eigenen Wohnung plaziert, kann sie nicht so ganz nachvollziehen. Das Interesse der Kunstkritikerin haben hingegen Arbeiten junger Künstler*innen auf Instragram und Snapchat geweckt, die spielerisch an der Erweiterung ihrer digitalen Identität arbeiten.
Abschließend holt Anika Meier zur Fundamentalkritik im Umgang mit dem Digitalen aus: Noch haben sich keine Bewertungskriterien für das Digitale entwickelt, aber »nur weil irgendetwas digital gemacht wird, ist es nicht gleich der heiße Scheiß.« Im Moment pendelt die Kritik noch zwischen naiver Euphorie und uninformierter Kritik. Hier muss unbedingt die Erwartungshaltung der Kritik, aber auch die Möglichkeiten des anderen Mediums mitbedacht werden. Dass ein digitaler Ausstellungsrundgang nicht mit einem Besuch im Museum vergleichbar ist, bezweifelt niemand. Allerdings hat der virtuelle Rundgang andere Qualitäten, die auch gesehen und angemessen bewertet werden sollten.

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tag Online Viewing Room Streaming Augmented Reality Hans Ulrich Obrist Iwan Wirth Koo Jeong A Krise als Chance
Bildende Kunst/Design Kolumne

Überraschung oder Enttäuschung . Was steckt drin im Kulturpaket?

by Felicitas Twickel (29 May 2020)
Original source: Aspekte

In der kommenden Woche soll von der Bundesregierung ein Konjunkturpaket für die Kultur- und Kreativbranche verabschiedet werden. Die Hoffnungen auf Unterstützung sind groß. Für Aspekte hat Felicitas Twickel mit Vertretern der Branche gesprochen, die von der Pandemie besonders betroffen sind.
Markus Ossevorth ist Mitglied der Leitung des alternativen Freiluft-Musikfestivals für elektronische Musik »The Nation of Godwana« in Brandenburg. Das Verbot von Großveranstaltungen im Sommer trifft auch dieses Festival. Damit verlie ren viele Zulieferer, Subunternehmer, Musiker, DJs, Techniker, Kleinkünstler und Artisten die Haupteinnahmequellen für ihren Jahresumsatz. Diese Unternehmen benötigen dringend Unterstützung, um das Jahr zu überstehen, denn so Ossevorth: »Wir opfern unsere wirtschaftliche Existenz an vorderster Front der Pandemiebekämpfung. Es kommt kein Ausgleich. Wir haben ein echtes Berufsverbot.«
In einer vergleichbaren Situation sind Tanzensembles. Zwar sind die Häuser aktuell geschlossen, festangestellte Tänzer*innen sind in Kurzarbeit, dennoch müssen sie Vollzeit trainieren, um ihren Körper in Form zu halten. Unter den bestehenden Hygieneauflagen ist das nur einzeln möglich. Der Leiter des Ensembles »cie. toula limnaios« Ralf Ollertz verweist darauf, dass Deutschland weltweit um seine Kulturlandschaft beneidet werde. Diese gilt es nun zu retten. Wie, so fragen sich viele, überlebt die Kulturszene das Virus?
Ebenfalls von einem Arbeitsverbot betroffen, ist der Dirigent Noam Zur: Er denkt über die Systemrelevanz von Kunst nach. Mit Blick auf die jährliche Bruttowertschöpfung steht in Deutschland die Kulturbranche an zweiter Stelle. Während Unternehmen Unterstützung erhalten, sind viele Künstler*innen aus dem ersten Soforthilfeprogramm herausgefallen, weil sie keine Betriebskosten absetzen konnten. Jeder vierte Solo-Selbständige fürchtet um seine Existenz – das ist nicht nur menschlich bedrohlich, sondern stellt auch eine Gefahr für die Vielfalt von Kunst und Musik in Deutschland dar. Wäre die Kulturbranche ein großes Unternehmen, wäre ihm die staatliche Unterstützung fraglos sicher. 3 Millionen, so sind sich die Kulturschaffenden sicher, sind #TooManytoFail.

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tag Konjunkturpaket Berufsverbot Soforthilfe Hygieneregeln Solo-Selbständige Existenzangst
Alle Sparten Beitrag

Folge #4: Lutz Leichsenring . Happy Endzeit - der Popkultur Podcast

by Lutz Leichsenring, Marcus Mötz (28 May 2020)
Original source: Tonspion

»United We Stream« wurde sehr schnell zu Beginn des Lockdowns im März von der Berliner Clubcommission ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit Arte Concert werden seit dem 18. März aus unterschiedlichen Clubs – zu Beginn nur aus Berlin, aktuell auch deutschland- und weltweit aus 45 Städten – Livekonzerte gestreamt. Die Zuschauer*innen können über Spenden die Clubszene unterstützen. Marcus Mötz spricht mit dem Sprecher der Clubcommission Lutz Leichsenring über die Clubszene in Berlin und die Kampagne »U nited We Stream«.
Städte bestehen nicht nur aus Galerien und Einkaufszentren. Prägend für ihre DNA, so Lutz Leichsenring, ist die jeweilige Clubszene. Diese hat nicht nur einen ästhetischen und kulturellen Faktor, sondern ist auch als sozialer Raum nicht nur, aber auch für marginalisierte Gruppen von großer Bedeutung. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass die Clubszene ein großer Arbeitgeber ist. Alleine in Berlin sind über 9.000 Menschen in Clubs beschäftigt. Diese Räume und Arbeitsplätze gilt es zu retten.
Bis Mitte Mai wurden über »United We Stream« rund 1 Millionen Spenden gesammelt. Damit können Honorare für die Onlinekonzerte und Clubmieten der jeweiligen Veranstalter bezahlt werden. Ansonsten dient das Geld vor allem dazu, besonders stark in Bedrängnis geratene Clubs zu unterstützen. Die Szene retten wird »United we stream« nicht. Alleine für Berlin sind im Monat für Personal, Mieten, Leasingverträge, usw. rund 10 Millionen notwendig. Da können die Spenden nur in Einzelfällen helfen, Kündigungen von Mietverträgen oder Mahnungen abzuwenden.
Aktuell helfen die unterschiedlichen Soforthilfeprogramme – vom Kurzarbeitergeld über Hilfe für Solo-Selbständige bis hin zu Darlehen – den Clubs etwas Liquidität zu verschaffen und so über den Sommer zu kommen. Solo-Selbständigen rät Leichsenring Sozialhilfe zu beantragen. Im Blick auf andere Länder sagt er, müssen wir in Deutschland froh sein, dass wir dieses soziale Netz haben. Wer im Ausland keine Rücklagen hat, für den ist die aktuelle Situation dramatisch.  
Über die Onlineplattform »United We Stream« wurde sehr schnell in der Presse berichtet. Die Schaffung einer großen Öffentlichkeit war wichtig, um mit der Politik ins Gespräch zu kommen. Das neue Format »United We Talk«, in dem mit Podcasts und Sprachbeiträgen Inhalte geliefert und diskutiert werden, ist ein Statement der Szene. Man fühlt sich als progressive Speerspitze der Gesellschaft, wenn es darum geht, politisch-gesellschaftliche Fragen zu diskutieren. Wenn es notwendig ist, kann die Szene auch Menschen mobilisieren: »Clubkultur ist weit mehr als Party, ein DJ und eine Tanzfläche.«

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tag Clubszene United We Stream Berlin Subkultur
Musik Podcast

Kritische Verteidigerin der hiesigen Demokratie . Neues Buch von Juli Zeh

by Andrea Gerk, Arno Orzessek (25 May 2020)
Original source: Deutschlandfunk Kultur

Juli Zehs Roman »Corpus Delicti« ist bereits 2009 erschienen. Es handelt sich dabei also nicht um einen Corona-Roman, auch wenn er thematisch hervorragend in unsere Zeit passt. Zeh behandelt in ihrer Dystopie das Thema Gesundheitsdiktatur, indem sie die Verführungskraft einer Gesundheitspolitik beschreibt, die allen ein langes und gesundes Leben verspricht. Die Bibel des Systems trägt den Titel »Gesundheit als Prinzip staatlicher Legitimation« und begründet die METHODE, mit der im Roman das Primat der Gesundheit des einzelnen und de r Gesellschaft rein logisch legitimiert wird. Um das Gesundheitsversprechen einzuhalten, werden von den Bürgern alle möglichen Daten gesammelt. Zehs Kritik an Selbstunterwerfung der Menschen im Blick auf Gesundheit, Fitness und Leistungsoptimierung ist unübersehbar.
Da der Roman Schullektüre ist, hat die Autorin nun einen Interviewband veröffentlicht, in dem sie die Fragen beantwortet, die Schüler*innen an sie gerichtet haben. Das Buch ist ein Selbstporträt der Bürgerin Juli Zeh und lässt durchaus kritische Reflexionen der Corona-Krise zu. Zehs Feststellung – »Es ist wirklich nicht leicht, das Unvernünftige an der Vernunft zu erkennen.« – lässt sich durchaus auf die Gegenwart übertragen.
Der Kritiker Arno Orzessek zeigt sich sehr von Zehs Buch angetan, teilt er doch ihre »Kritik an umfassendem Präventionsdenken, an Belohnungssystemen für korrekte, d.h. konforme Lebenssystemen«, wie sie aktuell in China zu beobachten sind. »Wenn man erst einmal glaubt, dass es im Leben und der Politik in erster Linie um die Abwehr jeder Form von Bedrohung geht, dann verblassen demgegenüber alle anderen Werte und ich fürchte, damit liegt sie richtig.«
In Bezug auf die Corona-Pandemie bewertet Orzessek das Buch als durchaus beachtenswert. Er selbst zeigt sich über die zeitweise »extreme Autorität der Virologen« in den letzten Wochen und Monaten sehr irritiert. Die Realität lediglich auf die vom Robert-Koch-Institut mitgeteilten aktuellen Fall- und Todeszahlen zu reduzieren, vernachlässigt doch viele wichtige Aspekte unseres Alltags. Auch die Autorin und Verfassungsrichterin Juli Zeh hat mit anderen Philosophen und Politkern bereits Ende April im »Spiegel« für die Wahrung der Verhältnismäßigkeit plädiert und konstruktive Vorschläge gemacht, wie in der Gegenwart die Rechte des einzelnen gewahrt werden könnten.

 

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tag Corona-Roman Dystopie Gesundheitsdiktatur Grundrechte Corpus Delicti Juli Zeh Konformismus
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Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

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Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

Ein besonderer Dank gilt Paco Croket für die Programmierung der Tag Cloud!

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